Im Stuttgarter Theaterhaus feiert das Tanztheaterstück „Alice“ am Mittwoch Premiere.Der Choreograf Mauro Bigonzetti inszeniert Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker. Im Interview spricht er über innere Konflikte, Special Effects und Volkslieder.

Stuttgart - Zum bereits vierten Mal arbeitet der italienische Choreograf Mauro Bigonzetti mit der Gauthier Dance Company des Stuttgarter Theaterhauses zusammen. Mit seiner aktuellen Produktion „Alice“, die am 25. Juni im Theaterhaus Premiere feiert, will der ehemalige Leiter der Kompanie Aterballetto ungewöhnliche Sichtweisen auf Lewis Carrolls Roman „Alice im Wunderland“ eröffnen.
Herr Bigonzetti, „Alice im Wunderland“ gehört zu den Klassikern der Kinderliteratur. Sie richten sich mit Ihrem Ballett an Erwachsene. Warum?
Es gibt verschiedene Aspekte in dem Märchen, die interessant sind. Einer davon ist die doppelte Persönlichkeit von Alice. Sie hat diesen inneren Konflikt: Ich möchte wachsen, ich möchte winzig sein. Ich kann die Welt von oben betrachten oder auch von ganz unten. Die Idee der sich ständig verändernden Körpergröße verstehe ich als Bild einer doppelten Persönlichkeit. Alice muss sich entscheiden, ob sie erwachsen sein will oder in ihrer Traumwelt bleiben möchte. Jeder muss solche inneren Konflikte bewältigen. Unser ganzes Leben lang treffen wir Entscheidungen, die die eigene Entwicklung betreffen. Wer weiterkommen möchte, muss sich ein Stück weit von den eigenen Erfahrungen, der eigenen Geschichte lösen. Auf diese Weise bin ich an das Stück herangegangen: Ohne Neugier kann sich kein Mensch entwickeln. Das ist der wichtigste Aspekt für mich in der Geschichte.
Und weniger die grausamen Anteile der Erzählung? Die Herzkönigin zum Beispiel ist eine sehr beängstigende Figur. . .
Ja, einerseits ist alles sehr witzig, Figuren wie das Kaninchen oder der verrückte Hutmacher. Andererseits gibt es diese dunkleren Facetten in der Geschichte. Das Ballett ist deswegen auch ein bisschen düster, besonders am Anfang und am Ende.
Der Autor Lewis Carroll führte eine Art Doppelleben. . .
Vielleicht sogar ein dreifaches! Er war ein wirklich dunkler Charakter.
Hat seine Biografie denn für Ihre Arbeit eine Rolle gespielt?
Ja, sehen Sie: es gibt in unserem Ballett zwei Alices. Diese Doppelbödigkeit steckt in Carroll, in Alice und in vielen anderen Figuren auch. Das Kaninchen zum Beispiel ist einerseits ein sehr lustiger Charakter, aber manchmal verhält es sich merkwürdig. Auch der Hutmacher hat eine mehrdeutige Persönlichkeit.