Obwohl der chinesische Markt schwächelt, hält Audi-Chef Rupert Stadler an den geplanten Investitionen fest. Er rechnet schon bald wieder mit besseren Perspektiven für China.

Frankfurt - Bis zum Ende des Jahrzehnts soll Audi nach den Vorstellungen von Vorstandschef Rupert Stadler vor Mercedes-Benz und BMW zum weltweit führenden Premiumhersteller aufsteigen. Zwar läuft es auf dem chinesischen Markt derzeit nicht rund, doch eine Modelloffensive soll den Absatz weltweit stärker in Schwung bringen. Zusätzliche Chancen sieht Stadler auch bei den alternativen Antrieben. Der A3 e-tron mit Plug-in-Hybridantrieb sei stärker gefragt als erwartet, berichtet Stadler im StZ-Interview. Wegweisend ist nach Einschätzung des Audi-Chefs eine Geländewagenstudie mit 500 Kilometern Reichweite.
Herr Stadler, Audi hat derzeit kräftig Gegenwind. In China, wo fast jeder dritte Audi verkauft wird, läuft die Autokonjunktur nicht mehr rund.
Das ist keine Überraschung für uns. Es war absehbar, dass der chinesische Markt nicht kontinuierlich zweistellig wachsen kann. Das Premiumsegment ist ein bisschen stärker betroffen, weil die Aktienkurse eingebrochen sind. Anleger, die etwa 40 Prozent des Aktienwerts eingebüßt haben, warten mit der Anschaffung eines neuen Wagens jetzt erst einmal ab. Ich glaube, wir müssen den chinesischen Markt nach seinem mittelfristigen Potenzial beurteilen. Dort gibt es weiterhin eine kaufkräftige Mittelschicht. Das Premiumsegment wird von derzeit etwa neun Prozent wie in anderen Ländern auf etwa zwölf Prozent wachsen.
Sie haben die Abschwächung in diesem Ausmaß jedoch nicht voraussehen können und die Kapazitäten deutlich ausgeweitet. Müssen Sie jetzt wegen dieser Durststrecke Kürzungen vornehmen?
Wir fahren unsere Investitionsprogramme weiter wie geplant. Wir nehmen auch nichts zurück, weil wir überzeugt sind, dass in einem Jahr, spätestens in zwei Jahren wieder deutliche Wachstumsperspektiven zu sehen sind. Langfristig wollen wir etwa 700 000 Fahrzeuge im Jahr in China produzieren. Da gibt es keine Abstriche.
Müssen Sie in den chinesischen Fabriken jetzt Stellen streichen?
Nein. Es gibt sehr viel Flexibilität. In den Fabriken wird teilweise an sechseinhalb oder sieben Tagen in der Woche gearbeitet. Wir können dies jetzt nutzen, um mit der Nachfrage zu atmen.
Bekommen Sie jetzt Ärger mit den chinesischen Händlern, die sich mehr versprochen hatten, und droht eine Rabattschlacht zu entflammen?
Wir können nun Erfahrungen aus der Wirtschafts- und Finanzkrise nutzen. So werden zum Beispiel in Spanien und Italien Boni schneller gezahlt, um die Händler zu unterstützen, indem die Liquidität verbessert wird. Zudem bieten wir den Kunden attraktive Ausstattungspakete . Und ich glaube, das wirkt. Im August haben wir einen sehr guten Besuch in den Autohäusern gehabt. Deshalb meine ich: Wir müssen aufpassen, dass wir keine Krise herbeireden.
Fällt Audi wegen der China-Schwäche nun im Rennen mit den Erzrivalen BMW und Mercedes-Benz um die weltweite Führungsposition im Premiumsegment zurück?
Da bin ich entspannt. In der Autoindustrie sind die Produktlebenszyklen lang. Da geht es nicht um Monatsergebnisse. Audi ist gerade dabei, 40 Prozent des Verkaufsvolumens zu erneuern. Das beginnt mit Q7, A4, A5 und so weiter. Diese Erneuerung dauert etwa anderthalb Jahre. Wir haben unseren Pflock beim Jahr 2020 eingerammt. Bis dahin wollen wir die Spitzenposition erreichen. Mit unserer Modellplanung und mit den Innovationen, die wir anbieten können, sind wir gut aufgestellt um dieses Ziel auch zu erreichen.
Mercedes-Benz hat die Modellpalette in den vergangenen Jahren viel stärker aufgefächert als Audi. In Frankfurt feiert das Cabrio der S-Klasse als bereits sechste Variante dieser Spitzen-Baureihe Premiere. Audi bietet das Flaggschiff A8 dagegen bisher nur in zwei Varianten an, normal und extralang. Haben Sie hier Nachholbedarf?
Audi geht hier seinen eigenen Weg. In den oberen Marktsegmenten werden wir noch die eine oder andere Variante zusätzlich bringen. Das ist kein Geheimnis, wir haben immer gesagt, dass wir unser Produktprogramm bis 2020 von heute etwa 50 Modellen in Richtung 60 Modelle erweitern werden. Da wird es Autos geben, die uns zusätzliches Wachstum und mehr junge Kunden bringen wie den kleinen Geländewagen Q1, der nächstes Jahr kommt, und es wird Modelle geben wie den großen Geländewagen Q8 oder einen Geländewagen mit Elektroantrieb, mit denen wir im oberen Marktsegment die Kunden begeistern werden. Man muss jedoch aufpassen, dass man sich nicht durch zu viele Varianten selbst Konkurrenz macht. Ich glaube, wir haben das gut austariert.