Unser Ziel ist zuallererst, die technischen und organisatorischen Abläufe zu verbessern und so zu den Einsparungen zu kommen. Potenzial gibt es. Wenn der Standort nicht nur in einer oder zwei Schichten, sondern wieder unter Volllast arbeiten kann, ist der Herstellungsprozess gleich deutlich günstiger. Im Erfolgsfall ist sogar ein Wiederanstieg der Beschäftigung denkbar.
Bosch-Chef Denner habe Ihnen den Weg zu solchen Lösungen geebnet, sagten Sie. Inwiefern ist das so?
Im Vergleich zu früheren Jahren hat sich die Qualität von Verhandlungen stark verändert. Früher hörten sich Forderungen der Geschäftsleitung etwa so an: ’Wenn ihr bereit seid, die Entgeltkosten um zehn Prozent zu senken, dann ist der Standort wettbewerbsfähiger und das Geschäft blüht wieder’. Wenn wir nach dem Konzept fragten, dann musste man vor allem daran glauben. Die Konflikte rankten sich dann immer um kurzfristige Sicherheiten, z.B. um ein einzelnes Investitionsvorhaben in ein Nachfolgeerzeugnis – und nach drei Jahren stand man wieder auf dem Prüfstand.
Und heute . . .
. . . reden wir über grundlegende, strukturelle Konzepte. Dieser Wandel muss dringend vorangetrieben werden. Es geht jetzt um Lösungen mit Langfristperspektive. Ich bin zuversichtlich, dass wir für den Großteil unserer Standorte gute Lösungen finden können, bin aber gleichzeitig Realist genug, dass dies möglicherweise nicht in allen Fällen gelingt.
Denner hofft auf das Internet der Dinge und Dienste. Ist das kein Thema für Sie?
Volkmar Denners Idee ist, mit neuen, innovativen Produkten auf reifen Märkten zu wachsen. Wir begrüßen diesen Ansatz und das steht auch auf unserer Liste möglicher Stellschrauben, um mehr Beschäftigung in die Werke zu bringen. Aber immer wenn wir Denner fragen, was er in seiner Wundertüte hat, kommen einige Vorzeigebeispiele heraus wie die Sensoren in Reutlingen. Die Tüte ist aber leider noch nicht so gut gefüllt, um damit alleine allen unseren Standorten eine gute Zukunftsperspektive zu geben.
Wer Bosch kennt, bekommt den Eindruck, dass dort ein kurzfristigeres Denken Einzug gehalten hat. Früher wurden angeschlagene Bereiche lange entwickelt. Heute – Beispiel Fotovoltaik – hat die Geschäftsleitung nicht mehr so viel Geduld. Stimmt der Eindruck?
Da bin ich geteilter Ansicht. Mit Blick auf die angehäuften Verluste und die rasante Talfahrt der Branche in Europa war der Ausstieg aus der Fotovoltaik alles andere als überstürzt und wir haben in Arnstadt lange Zeit intensiv – und ich meine auch nicht ohne Erfolg – um den Erhalt des Großteils der industriellen Arbeitsplätze gekämpft. Ich weiß nicht, wie ein anderes Unternehmen gehandelt hätte. Es gibt Aktivitäten, da spürt man den langen Atem von Bosch. Ich habe die Gießerei in Lollar erwähnt. Auf der anderen Seite stimme ich Ihnen zu. Wir spüren, dass deutlich schneller als in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen werden. In Aktivitäten, die nicht die erwarteten Geldbringer sind, greift man frühzeitig ein. Häufig gelingt es, diese Bereiche in eine positive Zone zu bringen. Es gibt aber auch Beispiele, wo sich Bosch von Erzeugnissen trennt.
Zurück zum Auto. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung des Zukunftsfeldes Elek-tromobilität. Geht es schnell genug?
Das ist doch ein gutes Beispiel für den langen Atem. Aber zu Ihrer Frage: Dass der Markt sich so langsam entwickelt, beschert uns Übergangsprobleme an Standorten, wo wir bei Zukunftskonzepten stark auf Erzeugnisse der Elektromobilität gesetzt haben. Nehmen wir beispielsweise die Standorte Hildesheim und Bühl. Dort haben wir mittelfristig große Probleme, weil der Hochlauf der Motoren für die Elektromobilität langsamer als erwartet erfolgt und deshalb der Abrieb an traditionellen Erzeugnissen wie Startern und Generatoren nicht wie erwartet aufgefangen werden kann. Im Moment sind zwar beide Standorte dank der Konjunktur gut ausgelastet; sie haben sogar befristete Beschäftigte. Aber zwischen 2017 und 2020 wird es dort eng.