Die Stuttgarter Kickers empfangen am Samstag zum Pokalhit den Vizemeister Borussia Dortmund in der Mercedes-Benz-Arena. 35 000 Zuschauer werden erwartet. Der Präsident Rainer Lorz will aber auch in der Liga mehr Fans gewinnen.

Sport: Joachim Klumpp (ump)
Stuttgart – - Am Samstag (15.30 Uhr) bestreiten die Kickers das Spiel des Jahres – im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund. „Die beteiligen sich dankenswerterweise an den Mehrlasten in Cannstatt“, sagt Kickers-Präsident Rainer Lorz.
Herr Lorz, normalerweise sind Sie zu dieser Jahreszeit gerne im Portugal-Urlaub. Haben Sie den wegen dem Pokalspiel absichtlich nach hinten verlegt?
Ich habe ihn nach hinten verlegt – aber schon bevor das Pokalspiel terminiert war. Wenn es nicht so gewesen wäre, hätte ich es auf jeden Fall geändert, das ist klar.
Das ist verständlich beim Spiel des Jahres der Kickers. Was ist denn wichtiger für den Verein: der Imagegewinn oder der sich abzeichnende finanzielle Überschuss?
Beides. Natürlich ist der finanzielle Gewinn von großer Bedeutung, aber es ist auch schön, bundesweit mal wieder in der Öffentlichkeit zu stehen und wahrgenommen zu werden. Wir hoffen, dass durch diesen Pokalkampf ins Bewusstsein kommt, dass es hier in Stuttgart noch einen zweiten Verein gibt, der guten Fußball spielen kann.
Wenn man von 30 000 plus x Zuschauern ausgeht, mit welchem Netto-Erlös rechnen Sie denn unterm Strich, nachdem der DFB das Startgeld für die Amateurvereine nochmals um 40 000 Euro erhöht hat?
Das ist so nicht ganz richtig. Das Geld aus der Liveberichterstattung kommt jetzt allen Vereinen zugute, sodass sich die Summe für alle Clubs leicht erhöht hat. Alles in allem bekommt man vom DFB jetzt 140 000 Euro – das sind 10 000 Euro mehr als ursprünglich geplant. Aber mit dem Umzug in die Mercedes-Benz-Arena machen wir insgesamt doch ein stattliches Plus gegenüber unseren ursprünglichen Planungen. Im Vorfeld haben ja umfangreiche Gespräche mit der Borussia stattgefunden, und da haben die Dortmunder sich dankenswerterweise bereit erklärt, sich an den Mehrlasten in Cannstatt zu beteiligen, da auch mehr Fans aus Dortmund das Spiel besuchen können. Somit wird für die Kickers ein ordentliches Sümmchen übrig bleiben.
250 000 Euro?
Etwas weniger.
Der Sportdirektor Michael Zeyer betont, dass er davon nichts in die Mannschaft investieren kann. Wofür soll das Geld denn verwendet werden?
Die Mannschaft steht. Und es ist wichtig, dass wir einen gewissen Puffer haben, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Wir haben ja auch die schwierige Aufgabe mit dem Umzug nach Reutlingen, falls die Zuschauerzahlen hinter den Erwartungen bleiben – uns geben die Mehreinnahmen somit jetzt eine gewisse Sicherheit.
Aber der Investor partizipiert auch an dem Pokalspiel?
Da gibt es klare Regelungen und Verträge, insbesondere in Bezug auf die Einnahmen aus TV-Erlösen. Das ist vorgegeben, es gibt also keine Sonderbeteiligung.
Wie schwer war denn die Entscheidung, in die Mercedes-Benz-Arena zu gehen?
Heute gibt es viele Leute, die sagen, es war ja klar, dass 35 000 Zuschauer kommen. Am Anfang war es aber so, dass viele gesagt haben, da kommen nie mehr als 15 000 bis 20 000. Insoweit gab es schon ein Risiko. Aber nachdem wir uns mit Dortmund sehr kollegial geeinigt haben, war es eine vollkommen richtige Entscheidung. In Reutlingen hätten wir nicht mehr als 10 000 Zuschauer reinbekommen, das wäre gegen so einen Topgegner verschenkt gewesen.
Wenn Sie heute unter den Fernsehturm schauen, haben Sie ein Feedback, was die Baufortschritte im Gazi-Stadion machen?
Wir sind darauf angewiesen, was der Generalunternehmer Züblin sagt, und da haben wir bisher die Rückmeldung bekommen, dass alles planmäßig läuft. Es ist ja vorgesehen, dass wir im Februar 2015 wieder Zuhause spielen können, das hängt auch ein bisschen davon ab, wie hart der Winter sein wird. Aber wir liegen im Zeitplan und sind guter Dinge, dass es wie geplant zum Heimspiel gegen Bielefeld klappt.
Ist das Handicap „Stadion“ denn mit ein Grund dafür, dass die Kickers etwas zurückhaltend sind, was das Thema Aufstieg angeht, obwohl es keinen klaren Favoriten wie zuletzt Heidenheim und Leipzig gibt?
Punkt eins: wir alle sind sehr ehrgeizig – im Verein und in der Mannschaft. Jeder hat ein Ziel. Aber wir haben mit Absicht keine Saisonziele dahingehend ausgegeben zu sagen, wir wollen Platz x oder y erreichen. Durch verbale Äußerungen wird man nicht besser. Das geht nur über die Qualität der Mannschaft oder Eigenschaften wie Engagement, Moral und Willen. Das soll die Mannschaft auf dem Platz zeigen, und wenn dabei etwas Ordentliches rauskommt, umso besser. Aber sicher hat auch eine Rolle gespielt, dass wir in so einer Umbausaison nicht noch Druck aufbauen wollten.
Nachdem der Trainer Horst Steffen bis 2016 verlängert hat, geht man das Ziel Aufstieg nächstes Jahr konkreter an?
Wir haben immer gesagt, dass die Kickers in der dritten Liga oben mitspielen wollen – und den Aufstieg in die zweite Liga mit einplanen. Das ist unsere Ambition, und die verfolgen wir weiter. Aber wir hatten bei den Kickers auch schon die Situation, dass Ziele artikuliert worden sind, ohne dass die richtige Basis vorhanden war. Und die stimmt jetzt.
Der DFB spricht gerne von der stärksten dritten Liga aller Zeiten, andererseits will sicher die Hälfte der Vereine da raus. Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Nicht unbedingt. Der DFB hat zuletzt eine sehr gute Imagekampagne für die dritte Liga gemacht, die die Ambitionen der Vereine zeigt: nämlich anzugreifen und sportlich mehr erreichen zu wollen. Dass man nach oben möchte, hängt natürlich auch mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten zusammen, weil in der zweiten Liga die Fernsehgelder so deutlich höher sind, dass hierdurch andere Möglichkeiten bestehen, sich weiter zu entwickeln. Und auch das Publikum will auf Dauer eine sportliche Entwicklung sehen. Deshalb ist unser Ziel, dass wir ein Spitzenteam der dritten Liga werden und um den Aufstieg mitspielen.
Ist der Gesamtetat von jetzt sechs Millionen Euro für die Kickers die Spitze des Machbaren in der dritten Liga?
Wir hinken vor allem bei den Einnahmen aus den Spielen noch hinterher. Unsere Zuschauerbasis muss größer werden, dafür werden wir alles tun. Wenn sie Mannschaften wie Bielefeld oder Osnabrück mit 10 000 bis 12 000 Besuchern bei normalen Heimspielen nehmen, merkt man den Unterschied zu den Kickers. Wir hoffen natürlich auch, dass der Zuspruch mit der neuen Haupttribüne besser werden wird.
Gibt es eine Hausnummer, die Ihnen vorschwebt?
Eher eine einfache Rechnung. Wenn wir den Schnitt von 4000 auf 5000 Zuschauer steigern, dann hätten wir pro Spiel etwa 10 000 Euro Mehreinnahmen, macht in einer Saison rund 200 000 Plus – und die helfen in der dritten Liga dann schon. Abgesehen davon, dass es für die Mannschaft anders rüberkommt wenn 5000 oder 6000 Zuschauer kommen, auch wenn wir schon jetzt eine tolle Stimmung bei uns haben.
Wir haben jetzt viel über Zahlen geredet. Ihr Schatzmeister Joachim Zumsande hat vor kurzem aufgehört. Wird dieser Posten im Präsidium in absehbarer Zeit neu besetzt?
Im Augenblick wird die Arbeit von Niko Kleinmann als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und mit meinem Background in dieser Beziehung gemeinsam erledigt. Das läuft, und wir werden in Ruhe schauen, wie wir das ergänzen.
Das ist noch mehr Arbeit – wie vereinbaren Sie das alles mit dem Beruf?
Es ist manchmal schon an der Grenze der Belastung – aber es funktioniert noch.
Den Sommerurlaub haben wir abgehakt. Was haben Sie in den Herbstferien vor?
Da bleibe ich Zuhause und hoffe, möglichst viele gute Kickers-Spiele zu sehen.
Auch in der zweiten DFB-Pokalrunde am 28. oder 29. Oktober?
Träumen darf jeder, aber wir müssen sehen, dass wir gegen eine Mannschaft mit Weltklassespielern antreten. Da geht es vor allem darum, so lange wie möglich Paroli zu bieten.