Kultur: Tim Schleider (schl)


Womit wir beim Geld wären. Was nützt Ihnen ein Grundsatzpapier in den nächsten Haushaltsberatungen?


Es stärkt hoffentlich allen Kulturpolitikern den Rücken, ob im Land oder in den Kommunen.

Aber es geht in "Kultur 2020" auch um die aktuelle Verteilung. Das Konzept fordert ein "Qualitätsmanagement" für die Kulturszene. Die Institutionen sollen evaluiert werden, wie es so schön neudeutsch heißt. Schickt das Ministerium zukünftig Prüfbeamte durchs Land, wie das ja jetzt schon der Rechnungshof regelmäßig tut?


Nein, das ist nicht vergleichbar. Beim Qualitätsmanagement geht es um inhaltliche Debatten, deren Kriterien erst noch zu entwickeln sind. Wir wollen keine Prüfkommissionen einsetzen, sondern einen Gesprächsprozess in Gang setzen. Nehmen Sie als Beispiel eines unserer Festivals. Da könnte man im Rahmen einer Qualitätsdebatte darüber nachdenken, ob das Profil des Festivals klar und stark genug ist, ob zusätzliches Publikum gewonnen werden kann, in welchem Verhältnis Eigenproduktionen und Gastspiele stehen - dies alles erörtert nicht gegen das Festival, sondern gemeinsam mit ihm.

Sie glauben, die Kultureinrichtungen selbst seien daran interessiert?


Ich sehe sehr wohl ein wachsendes Eigeninteresse der Kulturinstitutionen, weil die gesellschaftlichen Bedürfnisse an Kultur sich ja auch stark verändern und ein solcher Prozess hilft, sich alldem aktiv zu stellen. Kultureinrichtungen begreifen sich doch längst auch als gesellschaftliche Dienstleister und stehen auf diesem Feld im Wettbewerb untereinander und mit anderen.

Aber wo bleibt die Freiheit der Kunst?


Völlig unangetastet. Die Politik gibt nicht die Inhalte vor.

Und wenn, um ein Beispiel zu nehmen, irgendein Direktor irgendeines Kunstvereines darauf beharrt, dass seine vornehmste Aufgabe schlicht und einfach darin besteht, Ausstellungen zu organisieren?


Dann hat er ja recht damit und ich werde mich in sein Programm ganz sicher nicht einmischen. Und dennoch ist sein Aufgabengebiet insgesamt genau so vielschichtig, wie ich es eben beschrieben habe - Beispiel Besucherorientierung, Vermittlung, Marketing, Drittmittel -, und ich würde darüber gern mit ihm ins Gespräch kommen.

Das Bundesland Baden-Württemberg ist stark von der CDU geprägt. Aber so einen richtig handfesten Krach zwischen Union und Kulturszene hat es schon lang nicht mehr gegeben. Läuft da was schief?


Im Gegenteil. Es ist typisch für den Umgang zwischen Politik und Kultur in Baden-Württemberg: neugierig, souverän und tolerant. Das Ziel der Künstler, Stimmungen in der Gesellschaft auch einmal drastisch auszudrücken, Konflikte, wenn nötig, zuzuspitzen, wird in der Politik überwiegend akzeptiert. Und dann haben Politik und Kultur heutzutage auch etwas gemeinsam: sie sind problemorientiert - und dabei erfreulich entideologisiert.