Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)
Der offensive Umgang des DTB und des Schwäbischen Turnerbundes (STB) mit dem Thema ist bemerkenswert. Aber Hand aufs Herz, haben Sie in all den Jahren als DTB- und auch STB-Präsident tatsächlich in Schmiden immer eine traute Atmosphäre wahrgenommen?
Die Art und Weise der Motivation war ein Problem, das ich durchaus gesehen habe. Wir hatten deshalb auch schon erste Maßnahmen eingeleitet, bevor der Brief von Katerina Luschik kam.
Das Engagement von Michael Breuning als Standortmanager ist bis zu den Heimweltmeisterschaften im September 2015 in Stuttgart vorgesehen. Brauchen Sie aber in Schmiden nicht dauerhaft einen festangestellten Standortmanager?
Selbstverständlich. Wir wollten eine schnelle Lösung und sind froh, dass uns der STB „seinen besten Mann“ zur Verfügung gestellt hat. Wir bereiten uns nun auf die Zeit nach der WM vor: Wir brauchen dort eine professionelle und gute Dauerlösung.
Ist es auf der anderen Seite aber nicht schlimm, dass es nur funktioniert, wenn am Bundesstützpunkt in Fellbach-Schmiden ständig ein Aufpasser vor Ort ist?
RSG ist Höchstleistungssport, eine hoch komplexe kompositorische Sportart mit einem extremen Trainingsaufwand – der Körper muss ja permanent in eine Form gebracht werden, der diese unglaublichen Bewegungen ermöglicht. Das ist enorme Belastung für die Sportlerinnen und auch die Trainerinnen. Das da Konflikte und Probleme entstehen, ist, glaube ich, ganz selbstverständlich. Gerade deshalb braucht man eine vernünftige Leitung, die von oben draufschaut, auf die Fläche draufschaut und nicht selbst auf der Fläche steht, um rechtzeitig einzugreifen, wenn sich da Konflikte nicht auflösen.
Karina Pfenning soll sich auch schon an ihrer vorherigen Station als Trainerin in der Schweiz nicht nur Freunde gemacht haben. Haben Sie da vor ihrer Einstellung nicht gut genug recherchiert?
Sie ist nicht nur Trainerin, spricht nicht nur perfekt Deutsch, sondern hat auch Jura studiert. Mein Eindruck war: Wir haben hier eine nicht so emotionale, strukturierte Frau, die als Teamchefin sehr fähig ist, die Dinge zu steuern. Diesen ersten Eindruck teilten auch andere. Wir dachten, dass wir in ihr jemanden haben, der stärker über der Sache steht und nicht so der Emotionalität des Trainingsvierecks verbunden ist. Da haben wir uns offensichtlich getäuscht.
Die Vorwürfe von Katerina Luschik richten sich sowohl gegen Karina Pfennig als auch gegen Natalia Stepanova. Erklären Sie uns doch bitte, warum Frau Pfennig nicht mehr im Amt ist, Frau Stepanova aber schon?
Ich habe Vertrauen zu ihr. Das zeigen auch die vergangenen vier Monate, wie sie an allen unseren Maßnahmen mitwirkt, über die wir vorhin gesprochen haben. Auch hier gilt: Sie bestreitet die Vorwürfe, die ja teilweise sehr allgemein gehalten sind – es ist unklar, wen sie betreffen. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich keinen Anlass, an ihrer Aussage zu zweifeln. Wie gesagt: Wir haben Frau Pfennig nicht entlassen. Sie hat ihrerseits angeboten aufzuhören.
Die Position der Nationalgruppe-Teamchefin ist zurzeit vakant, die Einzelcheftrainerin freigestellt. Das Knowhow der Sportgymnastik sitzt in Osteuropa, wo bis heute in vielerlei Hinsicht andere Verhältnisse herrschen. Wo wollen Sie entsprechende Weltklassetrainerinnen finden, mit denen der sportliche Anschluss an die Weltspitze möglich ist und die zugleich humane Trainingsmethoden garantieren?
Ich glaube, da kommt es auf eine vernünftige Mischung an. Im internationalen Sport ist man immer gut beraten, sich durchaus des Knowhows zu versichern – natürlich mit unseren Bedingungen, mit klaren Vorgaben. Und wir brauchen aber auch eigene, bei uns sozialisierte Trainerinnen. Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass wir zunehmend ehemalige Athletinnen motivieren können, diesen Weg zu gehen.
Mal ehrlich: gibt’s nicht manche Momente, in denen Sie sich denken: Wenn ich damit bloß nichts zu tun hätte?
(lacht) Wissen Sie, wenn sie ein Amt annehmen, dann haben sie eine Funktion. Meine Befindlichkeit spielt hier keinerlei Rolle. Und über die diskutiere ich auch nicht. Was ich dann gelegentlich mal denke oder meiner Frau sage, ist Privatsache. Ich habe ja schon viele Ämter bekleidet, auch Regierungsämter, da gilt das Gleiche. Das Ganze treibt mich schon um. Das ist keine Geschichte, die ich einfach so wegstecke. Das sind Dinge, die einen berühren. Als ich den Brief gelesen habe, ist schon einiges in mir vorgegangen. Aber dann darf’s dabei eben nicht stehenbleiben. Ich habe sofort reagiert. Schließlich habe ich als DTB-Präsident die Verantwortung.
Erwägen Sie persönliche Konsequenzen für den Fall, dass die Anschuldigungen bewiesen werden?
Ich persönlich?
Ja, Sie persönlich.
Ich sehe keinen Anlass, persönlich Konsequenzen daraus zu ziehen. Ich hätte ja nur Anlass persönlich Konsequenzen zu ziehen, wenn ich mir vorzuwerfen hätte, nicht adäquat reagiert zu haben. Und ich glaube, der Verband hat hier in vernünftiger und guter Weise und sehr entschlossen reagiert.