Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)
Es gibt Menschen, die sagen, dass Frauen selbst schuld daran sind, dass sie weniger verdienen als Männer, weil sie oft in Teilzeit arbeiten und schlechter bezahlte Berufe wählen. Stellt Sie diese Erklärung zufrieden?
Der Lohnunterschiedzwischen Männern und Frauen beträgt auch bereinigt noch sechs Prozent. Dafür gibt es keine Erklärung – außer dem Geschlecht. Das darf nicht sein. Wer Teilzeit arbeitet, um Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen, darf nicht benachteiligt werden. Und dass typische Frauenberufe schlechter bezahlt werden, kommt ja noch oben drauf. Übrigens setzt sich das im Alter fort: Die Rentenlücke ist noch viel größer. Deshalb bin ich alles andere als zufrieden.
Wenn ein Kind kommt, stecken Frauen auch noch zurück. Wie lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen?
Wir haben im Mint-Bereich (Anm. d. Red: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) eine Initiative von Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium, mehr Mädchen für die technischen Berufe zu interessieren. Allerdings ist auch wichtig, dass der Arbeitsmarkt durchlässig ist und Frauen beispielsweise als Ingenieurinnen Chancen haben, einen Arbeitsplatz zu bekommen, bei dem sie nach einer Familienpause wieder einsteigen können. Das ist sicher auch eine Aufgabe von Arbeitgebern, den Kontakt mit Frauen zu halten, zu signalisieren, wir freuen uns, wenn du wiederkommst. In Zeiten des Fachkräftemangels wird das noch wichtiger, dann dürften sich auch bessere Verdienstchancen für Frauen ergeben. Der Teufelskreis lässt sich durchbrechen. Da gehören aber alle Seiten dazu: Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Eltern und auch die Frage, ob Familienarbeit eine Frauenaufgabe ist. Da tut sich was, zwar im kleinen Prozentbereich, aber immerhin. Durch die Elternzeit nehmen sich zunehmend Männer Zeit für ihre Kinder.
Beim Finanzplatzgipfel in Stuttgart, den es seit vielen Jahren gibt, fällt immer noch auf, dass gerade bei Banken und Sparkassen viele Frauen arbeiten, aber nicht an der Spitze.
Ja, das stimmt. Der Frauenanteil ist noch nicht so prickelnd. Es gibt die Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen, und mit dem Chancengleichheitsgesetz soll in Gremien, in die das Land Mitglieder entsenden kann, der Frauenanteil auf 40 Prozent erhöht werden. Das ist ein guter Ansatz. Letztlich geht es darum, gemischte Teams mit unterschiedlichen Fähigkeiten zu bilden. Also Diversity – da geht es um Mann und Frau, um Jung und Alt, unterschiedliche Nationalitäten, Kulturen, Berufe. Wir wissen, dass gemischte Teams für die Ergebnisse von Unternehmen gewinnbringend sind.
Sie haben studiert, als Reiseleiterin gearbeitet und dann in der Politik Karriere gemacht. Sollten Frauen, die Karriere machen wollen, eher fokussieren oder eher eine breitere Themenpalette abdecken?
Das ist schwer zu sagen. Mein Lebenslauf ist ja nicht sehr gradlinig. Ich habe es immer als Bereicherung empfunden, dass ich Einblicke in unterschiedliche Berufswelten und Aufgaben hatte. Davon profitiere ich. Dass ich Finanzministerin geworden bin, hab ich mir zuvor nicht erträumt.
Haben Sie den Eindruck, dass Sie für Ihre Karriere viel opfern mussten?
Nein, ich habe mich ja immer freiwillig entschieden, wenn sich eine Möglichkeit ergeben hat. Wenn man so eine Aufgabe übernimmt, übernimmt man sie mit Herzblut, Haut und Haaren.
Wie setzen Sie sich durch in reinen Männerrunden?
Seit ich Politik mache, bin ich für Themen zuständig, die man fälschlicherweise als sogenannte harte Themen bezeichnet. Da gab es häufig Termine und Gesprächsrunden mit vielen Männern. Entscheidend ist, dass man sich selber im Klaren ist, welches Ergebnis man erreichen will, um das dann mit Argumenten und mit Charme durchzusetzen. Ich halte es für wichtig, vom Ergebnis her zu denken.