Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Gerade im Luftverkehr bleiben die Konfliktherde doch unangetastet, weil beispielsweise Cockpit, Ufo, die Gewerkschaft der Flugsicherung und Verdi als Mehrheitsgewerkschaften in ihren Bereichen weiterhin eine große Streikmacht haben?
Am Flughafen Stuttgart sind Verdi und die Beamtenbund-Gewerkschaft Komba in unterschiedlichen Betriebsteilen sehr präsent. Wir haben als Arbeitgeber bisher ja überhaupt keine Kenntnis darüber, welche Gewerkschaft wie viele Mitglieder im Betrieb hat. Wird es je darauf ankommen, dass wir solche Feststellungsverfahren anstoßen müssen? Auch das ist eine ungelöste Frage. Ich habe als Arbeitgeber natürlich hohes Interesse daran, zu wissen, welcher Tarifvertrag mit welcher Gewerkschaft jeweils gilt.
Glauben Sie, dass Sie dazu gerichtliche Beschlussverfahren in Gang bringen müssen?
Ich hoffe nicht, dass es zum Kampf um die jeweilige Mehrheit kommt. Vielmehr hoffe ich, dass sich dies durch Verhandlungsgemeinschaften von Gewerkschaften lösen lässt statt durch verschärfte Tarifkonkurrenz und einen Wettlauf um bessere Konditionen. Wenn diese Gemeinschaft nicht zustande kommt, müssen wir mit beiden Gewerkschaften verhandeln, so wie es der Gesetzgeber vorsieht. Es kann auch von beiden gestreikt werden. Es ist aber zu dem Zeitpunkt nicht klar, ob dieser erstreikte Tarifvertrag zur Wirkung kommt, weil möglicherweise noch gerichtlich festgestellt werden muss, welche Gewerkschaft die stärkere ist. Da sind viele, viele Fragen ungelöst.
Auch die Frage, welche Belange der Mitglieder einer Minderheitsgewerkschaft von der Mehrheitsgewerkschaft berücksichtigt werden müssen?
Das Verfassungsgericht sagt ja in dem Punkt relativ offen, dass für die kleineren Gewerkschaften eine Möglichkeit eröffnet werden muss, den Tarifprozess mitzugestalten. Aber in welcher Form das passieren soll, muss sich der Gesetzgeber erst noch überlegen.
Das führt zu einer Rechtsunsicherheit mit vielen Arbeitsgerichtsprozessen?
Ja. Deswegen kann man den Gesetzgeber nur auffordern, die Frist für eine Ergänzung des Gesetzes nicht bis zum letzten Tag auszureizen, sondern die Spielregeln möglichst rasch zu definieren. Das entlastet auch die Gerichte. Die Richter sind da nicht zu beneiden: Sie müssen Fragen beantworten, für die der Gesetzgeber noch keine Leitlinien vorgegeben hat.
Angesichts der Bundestagswahlen mitsamt Koalitionsbildung ist es absehbar, dass die Frist bis Ende 2018 ausgereizt wird?
Klar. Aber es besteht Handlungsbedarf: Man darf die tarifliche Praxis nicht sich selbst und den Gerichten überlassen. Daher muss der Gesetzgeber die Klärung prioritär herbeiführen.