War es ein Fehler, den Euro einzuführen?
Zu diesem Urteil muss man kommen. So wurde für den Zusammenschluss die D-Mark geopfert, was nicht nur den Verzicht auf diese Währung bedeutet hat, sondern auch auf die vorbildliche Disziplin der Deutschen Bundesbank. Heute hat in Europa jedes Land seine eigene Bundesbank, und das ist ein gravierender Konstruktionsfehler. Denn die Vorschriften für die Qualität der Schuldtitel, die zur Unterlegung von Krediten hereingenommen werden, sind sehr unterschiedlich. Die Bundesbank hat Kredite nur gegen erstklassige Papiere gegeben, während das in Griechenland und anderen Ländern nicht der Fall war. So gibt es im Grunde einen griechischen, einen italienischen und einen französischen Euro.

Europa bekämpft die Krise mit immer mehr Geld. Es wächst der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), sich in den Dienst der Politik stellen zu lassen. Hat die EZB eine Chance, sich zu verweigern?
Europa bekämpft die Krise nicht mit Geld, sondern mit immer mehr Krediten. Man bekämpft die vorhandenen Schulden mit noch mehr Schulden. Dabei passiert aber nur eines: der Gläubiger wechselt – vom Privatgläubiger zum Steuerzahler. Wenn das eine Lösung wäre, dann könnte man dem ja noch zustimmen, aber so ist es nicht.

Funktioniert das Finanzsystem seit der Lehman-Pleite anders als vorher?
In Teilen der Branche wird weiter gezockt, es gibt immer mehr Derivate, und Boni werden verteilt wie zuvor auch. An den grundsätzlichen Dingen hat sich so gut wie nichts geändert. Die Mittel, die jetzt eingesetzt werden, sind zwar geeignet, etwas Zeit zu gewinnen. Aber der Preis, der auch in Deutschland in Form einer steigenden Verschuldung dafür gezahlt werden muss, ist vermutlich zu hoch.

Und die EZB?
Die Personen, die mit der Politik nicht einverstanden waren, sind gegangen . . .

. . . Sie meinen die deutschen Vertreter Axel Weber und Jürgen Stark?
Ja. Deshalb glaube ich, dass sich die EZB am Ende nicht verweigern kann. Und das ist dann das Ende der Notenbanken. Ich gehe davon aus, dass wir in fünf Jahren, spätestens in zehn Jahren, die heutigen Notenbanken nicht mehr haben. Und das wird ein Segen sein, weil die Notenbanken nicht die Retter in der Krise sind. Sie gehören maßgeblich zu den Verursachern, und das gilt insbesondere für Amerika.

Wer oder was soll denn an die Stelle der Notenbanken treten?
Es muss die Illusion aufgegeben werden, dass es so etwas wie den „lender of last resort“, den Kreditgeber der letzten Zuflucht, überhaupt geben kann. Wir brauchen auf jeden Fall Instanzen, die die Fehlentwicklung bei der Bereitstellung von Krediten regulieren können. Die Amerikaner haben die Reservehaltung der amerikanischen Banken de facto auf null gesetzt; was als Rest bestehen geblieben ist, lässt sich leicht umgehen. Jeder Dollar, der an Kredit geschöpft wird, wird durch die amerikanische Notenbank im Grunde genommen unendlich oft vermehrt. Das ist aber kein Geld, es sind zusätzliche, neue Schulden. Ich erinnere an dieser Stelle auch daran, dass die Notenbank in Amerika de facto ein Instrument der Politikfinanzierung ist.