Was muss jetzt geschehen?
Was wir brauchen, ist die Rückkehr zu einer vernünftigen Reservehaltung im System. Es sind Institutionen erforderlich, die nicht die dieselbe Macht zur leichtfertigen Kreditausweitung haben wie die heutigen Notenbanken, sondern im Gegenteil gezwungen sind, je mehr Kredit es bereits gibt, desto weniger neuen Kredit bereitstellen zu dürfen.

Wäre die bisweilen diskutierte Rückkehr zum Goldstandard, also der Golddeckung der Währung, eine Lösung?
Heute ist das kein taugliches Mittel mehr. Nein, es muss nur klar sein, dass für jeden Kredit entsprechende Reserven gehalten werden, so dass eine unendliche Vermehrung verhindert wird. Und es muss gewährleistet sein, dass die Sicherheiten, die hereinkommen, tatsächlich erstklassig sind. Schauen Sie an, was wir haben: Die Preise für scheinbare Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien, Rohstoffe und Edelmetalle wurden seit 1980/82 in schwindelerregende Höhen getrieben. Es handelt sich aber nicht um wirkliche, solide Werte. Dahinter stehen zwei Motoren: die kreditproduzierte Preisinflation bei den Sachwerten und die Gier.

Wie wird die Welt nach der Krise aussehen? Wer sind die Gewinner und Verlierer ?
Zu den Gewinnern wird vielleicht China gehören, weil das Land den hierzulande vieldiskutierten Defiziten zum Trotz im Grunde fast als Einziges steuerungsfähig ist. Zu den Verlierern wird gewiss Amerika gehören. Das Land nähert sich realwirtschaftlich gesehen dem Zustand eines industriellen Entwicklungslandes. Denn der US-Scheinwohlstand basiert auf der Wall Street, auf dem Finanzwesen. Die Finanzwirtschaft erzeugt aber kein Sozialprodukt, sondern Scheinwerte um den Preis einer gesellschaftszerstörenden Verschuldung.

Welchen Charakter hat die Krise? Legen die Akteure an den Finanzmärkten den Finger auf die Schwachstellen des Systems, oder findet hier ein Wirtschaftskrieg statt mit dem Ziel, Europa in die Knie zu zwingen?
Hier findet kein Wirtschaftskrieg in dem Sinne statt, dass er von jemandem bewusst angezettelt worden wäre; das wäre mir zu viel Verschwörungstheorie. Aber die Amerikaner wollten den Euro nie, wofür sie auch sehr starke Gründe haben. Denn zu den Verlierern wird der Dollar gehören, wobei es den Euro mitreißen kann. Aber der Dollar wird als Weltleitwährung abdanken. Wenn der Euro gehalten werden kann, dann haben wir eine konkurrierende Weltleitwährung. Der Dritte im Bunde wird eines Tages der Yuan sein. Die Chance, sich aus der Strangulierung durch die amerikanische Währungspolitik zu befreien, war einer der wenigen Gründe, die mich veranlasst haben, den Euro letztlich zu begrüßen. Mit einem weinenden Auge habe ich gesehen, dass dahinter letztlich eine Fehlkonstruktion steht, die man hätte vermeiden müssen und können.

Wenn der Dollar verliert, warum steigt er dann im Wert gegenüber dem Euro; der Euro ist doch offensichtlich schwach.
Als Zahlungsmittel, also im Binnenverhältnis, hat der Euro seinen Wert absolut behalten. Er schwankt im Verhältnis zum Dollar. Er sinkt, und er wird weiter sinken. Aber nicht wegen des schwachen Euro, sondern wegen des schwachen Dollar.

Das klingt paradox.
Der Dollar wird wahrscheinlich noch für viele Jahre gegenüber dem Euro steigen, vielleicht sich verdoppeln oder verdreifachen. Und das ist dann ein Zeichen seiner zunehmenden Schwäche. Denn 70 Prozent der weltweiten Schulden sind in Dollar notiert. Um diese Schulden bedienen zu können, müssen Dollar gekauft werden. Das bedeutet eine gigantische Nachfrage nur durch die Schuldenberge; mit Realwirtschaft hat das nichts zu tun. Ebensowenig hat die Euroschwäche etwas mit der Realwirtschaft zu tun. Aber eines ist heikel: Es besteht die Gefahr, dass die Menschen den Glauben an den Euro als Zahlungsmittel verlieren und es zu einem Sturm auf die Banken kommt.