Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Die Industrie will logischerweise nicht allein die Zeche für den Binnenkonsum zahlen?
Auf Grundlage dieser hohen Löhne werden hohe Gewinne gemacht. Die Unternehmen können sich diese Löhne also leisten. Trotz der Exportorientierung profitieren sie von der Binnenkonjunktur – zwischen 35 und 40 Prozent des Inlandswachstums nutzen direkt oder indirekt der Metall- und Elektroindustrie.
Beschränkt sich die IG Metall in ihrer Argumentation zu sehr auf relativ wenige Unternehmen mit hohen Erträgen?
Wir gucken auf alle, nicht nur auf die Dax-Unternehmen. Und wir sitzen in vielen betrieblichen Gremien – da braucht uns keiner ein X für ein U vorzumachen. In mehr als dreiviertel der Betriebe läuft es stabil bis sehr gut. Unbestritten ist aber auch, dass es immer einen Bodensatz zwischen 15 und 25 Prozent von Unternehmen gibt, wo es nicht optimal läuft. Grund sind strukturelle Probleme: Wer zu wenig investiert hat und zu wenig innovativ ist, der hängt halt hintendran.
Die Automobilhersteller zahlen stattliche Gewinnbeteiligungen. Braucht es da noch einen hohen Tarifabschluss?
Ja, denn Tarifeinkommen sind dauerhaft. Es gibt viele Unternehmen, die ähnlich ordentliche Gewinne machen wie die Automobilhersteller – gleichwohl bekommen die Beschäftigten sehr wenig oder keine Boni. Das ist auch ein Ausdruck der Kräfteverhältnisse bei Audi, Daimler oder Porsche. Die Lohnentwicklung ist Sache der Tarifvertragsparteien – die kann man nicht dem freien Spiel der Kräfte auf betrieblicher Ebene überlassen.
Wie können Sie Unternehmen mit geringeren Erträgen im Abschluss berücksichtigen?
Für Unternehmen in ernst zu nehmenden Schwierigkeiten haben wir ja das Pforzheimer Abkommen. Und wenn diesmal eine Differenzierungsklausel eine Rolle spielen soll, um für einzelne Betriebe vom Abschluss abzuweichen, muss man Folgendes berücksichtigen: In der Vergangenheit wurden teilweise einzelne Betriebsratsgremien unter Druck gesetzt – insofern ist das eine sehr kritische Geschichte. Wenn klar ist, dass die Tarifvertragsparteien die Abweichung für die einzelnen Betriebe festlegen, will ich eine Lösung auf dieser Grundlage nicht ausschließen.
Fünf Prozent fordert die IG Metall – Ihr Vorsitzender Hofmann rügt, die Arbeitgeber hätten diese niedrigste Forderung seit Langem „nicht aufgegriffen“. Wie denn bitte?
Unser Signal war: Wir wissen, es gibt dieses Jahr etwas weniger zu verteilen als im Jahr zuvor. Doch haben die Arbeitgeber in ihrem Angebot kein Entgegenkommen gezeigt, sondern in ihrer Denke – die Tarifpolitik müsse sich ändern – das Gegenteil gemacht. Sie haben das eigene Lager polarisiert und maßgeblich zur Mobilisierung unserer Leute beigetragen. So ist die Situation geeignet zu eskalieren.
Die Arbeitgeber haben ihr Angebot auf 2,1 Prozent erhöht und meinen, die IG Metall sei dran, sich zu bewegen. Bewegen Sie sich?
Die Bewegung kann einsetzen, wenn wir merken: Das geht in die richtige Richtung. Faktisch bedeutet das neue Angebot eine Lohnerhöhung von etwa einem Prozent pro Jahr. Das ist für uns keine Basis, um in den Lösungsversuch einzusteigen. Wenn das Paket stimmt, sind wir immer einigungsfähig. Dass wir uns darum mit großer Vehemenz bemühen, ist klar.
Beide Seiten haben sich noch nicht so sehr in den Schützengräben vertieft, dass die Entscheidung besser woanders fällt?
Nein. Die Warnstreiks zeigen: Es gibt eine große Bereitschaft der Belegschaften, sich für einen gescheiten Tarifabschluss einzusetzen. Dieses Zeichen ist gesetzt. Gleichwohl muss irgendwann wieder ein Gesprächsfaden aufgenommen werden. Die Arbeitgeber müssen jetzt die Bereitschaft signalisieren, deutlich nachzulegen. Ob aber jeder Tarifabschluss hier getätigt werden muss, ist eine andere Frage.
Wie groß sind die Chancen eines Kompromisses in der vierten Runde am 11. Mai in Ludwigsburg?
Ich will, dass wir uns vor Pfingsten einigen – es wäre im Interesse aller…
… damit die Ferien nicht dazwischen kommen?
Es wäre nicht nur im Sinne der Verhandlungsspitzen beider Seiten, sondern auch unserer Vertrauensleute, Betriebsräte und Mitglieder, wenn wir vorher ein Ergebnis hinbekommen und das Ganze nicht länger hinziehen müssen. Aber das geht nicht um jeden Preis. Wir sind auch in der Lage, nach Pfingsten weiter zu agieren.