Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Die Arbeitgeber haben sehr strikte Positionen zu den inhaltlichen Forderungen eingenommen – haben Sie das erwartet?
Offen gestanden nicht. Ich halte es auch für ziemlich fahrlässig. Wir diskutieren seit Frühjahr 2014 über eine neue Funktion von Altersteilzeit und die Frage einer alternativen Verwendung des Geldes in Form einer Bildungsteilzeit. Das heißt: Wir reden seit mindestens zehn Monaten darüber. Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Arbeitgeberseite sich jetzt so weit einmauert und solche Hürden aufbaut. Das macht mir Sorgen, weil sie dann irgendwann von dieser Position wieder herunterkommen muss. Ich würde nicht sagen, dass wir ein Ergebnis nur akzeptieren, wenn es zu allen drei Forderungselementen belastbare Lösungen gibt, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass wir das tatsächlich so durchziehen. Dass die Betriebe die Altersteilzeit weiter als personalpolitisches Instrument brauchen, wird beidseitig anerkannt. Es kann nicht sein, dass sich das Angebot nur auf diejenigen Beschäftigten konzentriert, die nicht mehr können – für die haben wir auch andere Ausstiegsmöglichkeiten. Das wissen die Arbeitgeber genau.
Die Arbeitgeber wollen den Anspruch auf Altersteilzeit von bisher vier Prozent praktisch halbieren. Demnach wäre es bereits ein Erfolg für die IG Metall, wenn sie den Status quo vor der Kündigung der Tarifverträge wieder herstellen könnte?
Die Idee, die Altersteilzeitquote zu halbieren, überrascht uns vollkommen. Wir haben zu keinem Zeitpunkt mehr Altersteilzeit gefordert. Angesichts der kommenden stärkeren Jahrgänge wäre es logisch gewesen, eine Altersteilzeitquote von sechs bis acht Prozent zu fordern – das haben wir bewusst nicht gemacht, weil wir auch die Notwendigkeit von demografischer Entwicklung in den Betrieben sehen. Dass die Arbeitgeber umgekehrt auf die Idee kommen, den Anspruch zu halbieren, ist die eigentliche Provokation des Angebots neben der kompletten Ablehnung der Bildungsteilzeit. Denn gleichzeitig sagen sie, Altersteilzeit solle nur noch auf die Rente jenseits der 65 Jahre zielen und faktisch nur noch für eine ganz kleine Beschäftigtengruppe der besonders Belasteten gelten. Das ist vollkommen unverständlich.
Ist ein Ausbau der Altersteilzeit angesichts des fortschreitenden Fachkräftemangels überhaupt sinnvoll?
Wir sind an keinem Ausbau interessiert, sondern daran, dass das heutige Niveau von vier Prozent der Belegschaft erhalten bleibt. Im Durchschnitt der Betriebe sind es etwa zweieinhalb Prozent, die das in Anspruch nehmen – die Bandbreite geht von null bis zwölf Prozent. In Betrieben, die Personalabbau vornehmen, gilt plötzlich überhaupt keine Begrenzung mehr und das Instrument wird in großem Umfang genutzt.
Woran machen Sie fest, dass die geförderte Bildungsteilzeit für die Beschäftigen einen so hohen Mobilisierungsgrad hat?
Weil sie neben der zeitlichen Freistellung für persönliche Weiterbildung auch eine materielle Unterstützung vorsieht. Das macht den Unterschied aus. Ein 35-jähriger Facharbeiter, verheiratet, zwei Kinder und Hauptverdiener der Familie wird sich eine ergänzende Technikerausbildung schlicht nicht mehr leisten können. Er hat nur dann eine Chance, sich weiterzubilden, wenn er eine gewisse materielle Unterstützung dafür bekommt. Das wird von vielen Beschäftigten so gesehen.