Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Was können die Bundeswehrsoldaten bis Ende 2014 für die Afghanen noch tun?
Wir unterstützen sie mit Fähigkeiten, die die Afghanen noch nicht haben. Ein Beispiel: Wenn die Afghanen in einem Raum operieren wollen, muss man sich erst ein Lagebild verschaffen – entweder mit Spähtrupps oder aus der Luft. Wir setzen da unser Drohnensystem Heron ein. Dies wird es zunächst nicht mehr geben, aber die Afghanen sollen diese Fähigkeiten nach 2014 auch erhalten. Und was die Unterstützung aus der Luft angeht, so wird die afghanische Luftwaffe nicht vor 2016 einsatzbereit sein. Es gibt Hubschrauber russischen Typs, aber viel zu wenige. Also müssen wir die Afghanen dazu bringen, dass sie mit ihren heutigen Mitteln umgehen können. Beispielsweise kann die Armee den Feind mit der Artillerie bis zu 15 Kilometer auf Distanz halten. Dies setzt voraus, dass die Soldaten dieses System beherrschen. Wir haben bei einer Operation im April festgestellt, dass dies noch nicht der Fall ist. Also bilden unsere Artilleriekräfte zurzeit afghanische Soldaten daran aus.
Ist die Zeit nicht viel zu kurz bis Ende 2014?
Bei der Aufstellung der afghanischen Sicherheitskräfte haben wir im Grunde bei null angefangen. Wir haben zunächst auf Masse geschielt. Nun gibt es mehr als 350 000 Kräfte in ganz Afghanistan – 43 500 allein hier im Norden. Jetzt muss es um die Klasse gehen. Mit unseren Beraterteams erhöhen wir Schritt für Schritt die Qualität. Was die Ausrüstung angeht, gibt es ein amerikanisch dominiertes Programm. Da haben wir zunächst festgelegt, was wir den Afghanen übergeben: Wir wollen nicht viele und hoch technisierte Waffen da lassen, sondern einfache Waffen, die sie handhaben und instand halten können. Beispiel: alle Sicherheitskräfte fahren eine Automarke – das heißt, man braucht nur ein Set von Ersatzteilen und einen Ausbildungsgang für die Mechaniker. Als wir herkamen, haben wir in der Armee große Probleme bei der Instandhaltung gesehen, denn die Ersatzteile lagerten in Kabul, die Verteilung funktionierte nicht. Also haben wir Ersatzteile in großen Mengen in den Norden gebracht. Nun sehen wir, dass die Anzahl der einsatzbereiten Fahrzeuge ohne weiteres Zutun ständig steigt. So einfach geht das manchmal.
Mit kleinen Geländewagen gewinnt man noch keine Gefechte.
Wir haben hier keine hochgerüstete afghanische Armee auf hohem technischem Standard – wir haben hier eine Infanterie mit Handwaffen, die sie seit Jahrzehnten bedient. Wenn die Ausbildung in der verbleibenden Zeit nicht funktioniert, muss man überlegen, wie man die Afghanen in einem Folgemandat komplett ausbildet.
Sie meinen das Kontingent von bis zu 800 deutschen Soldaten, das die Bundesregierung von 2015 an einbringen will?
Dazu muss uns die afghanische Regierung noch einladen, ansonsten bleiben wir zu Hause. Wenn es zu einem Einsatz nach 2014 kommt, werden wir keine Kampftruppe mehr entsenden, sondern uns auf die stationäre Beratung konzentrieren – etwa an Militär- und Polizeischulen. Das ist schon eindeutig so festgelegt worden.
Wegen der afghanischen „Innentäter“ wurde das Partnering-Konzept ausgesetzt – wie verlässlich sind die Sicherheitskräfte?
2012 hatten wir einen Höhepunkt von Insider-Attacken. Die Zahl ist deutlich gesunken, seitdem wir uns in geeigneter Form schützen. Im Norden war die Zahl der Innentäter immer signifikant geringer als in anderen Landesteilen. Dafür mag es viele Gründe geben – etwa dass wir uns die kulturellen und religiösen Gepflogenheiten bewusst machen. Man muss wissen, was es bedeutet, wenn der Afghane im Ramadan wochenlang bei Temperaturen von mehr als 40 Grad mindestens halbtags arbeitet, aber ganztägig nichts essen und trinken darf, weil die Religion das erfordert. Wenn er gereizter auftritt, muss man das vor allem bei Waffenträgern einordnen können.