Nach dem Klassenverbleib des VfB Stuttgart äußert sich Jens Lehmann zur Situation seines Ex-Clubs. Der frühere Torwart vermisst in der Vereinsführung die sportliche Kompetenz.

Stuttgart – - Der frühere Nationaltorhüter Jens Lehmann fühlt sich dem VfB noch immer sehr verbunden. Der 45-Jährige freut sich über den Klassenverbleib – und ärgert sich über den tiefen Fall des Vereins in den vergangenen Jahren.
Herr Lehmann, der VfB hat sich gerade noch vor dem Abstieg gerettet. Wie sehr haben Sie sich mit Ihrem Ex-Verein gefreut?
Für mich war der VfB-Auftritt in Paderborn das spannendste Spiel des Wochenendes. Beim Schlusspfiff habe ich mich sehr gefreut über den Klassenverbleib.
Hatten Sie im Laufe der vergangenen Monate noch daran geglaubt?
Wenn man von allen Bundesligisten am längsten auf Platz 18 und dort auch noch zwei Spieltage vor Schluss steht, ist es in der Regel unausweichlich abzusteigen. Daher dachte ich: diesmal ist es vorbei. Insofern ist der VfB zum zweiten Mal hintereinander vom Fußballgott geküsst worden.
Am Ende hat aber auch die Mannschaft alles dafür getan.
Ich glaube, dass es ein großes Glück war, dass Paderborn und auch Freiburg zum Schluss doch noch eingebrochen sind. Aber natürlich war es auch die Kraft und der Glaube der Mannschaft, im letzten Moment doch noch zu liefern.
Sie haben nur zwei Jahre für den VfB gespielt. Wie sehr fühlen Sie sich dem Club noch verbunden?
Ich habe immer sehr gern beim VfB gespielt, und bin noch heute häufig in der Stadt. Die Voraussetzungen für erfolgreichen Fußball sind hier optimal. Stuttgart hat als Industriestandort einen Weltruf; der Verein hat fantastische, begeisterungsfähige Fans, eine fast perfekte Infrastruktur und mit Mercedes einen Partner, der uns Deutschen gerade auch im Ausland viel Bewunderung einbringt. Auch die ganzen anderen Partner und Sponsoren stehen dem Verein treu zur Seite. Mit dieser Konstellation müsste sich der Verein doch eigentlich dauerhaft an der Spitze der Bundesliga etablieren. Gerade deshalb hat es mich zuletzt sehr enttäuscht zu sehen, was aus dem VfB geworden ist.
In Ihrem letzten Jahr hat der VfB noch in der Champions League gespielt. Hätten Sie sich damals vorstellen können, wie tief der Verein sinken würde?
Dass der Fall so tief sein würde, habe ich nicht gedacht. Ich hatte es für ausgeschlossen gehalten, dass sich der VfB Stuttgart, bei aller Wertschätzung, mit Paderborn oder Freiburg misst und so weit hinter dem FC Augsburg liegt. Als ich ging, stand der Verein dank des Transfers von Mario Gomez und der Champions-League-Einnahmen finanziell so gut da wie nie zuvor.
Was ist dann passiert?
Dann begann das Missmanagement. Wenn man jetzt auf den gesamten Verein blickt und einige wichtige Parameter betrachtet, stellt man fest, dass nicht nur die Profis in Schieflage geraten sind. Auch die zweite Mannschaft hat gegen den Abstieg gespielt, die Nachwuchsarbeit ist nicht mehr so erfolgreich; die TV-Einnahmen und Vermarktungserlöse sind als Folge des Niedergangs zurückgegangen, die Transfers funktionieren nicht mehr. Kurz: der VfB hat sich in allen Bereichen negativ entwickelt. In der Regel schaut man bei solch einem Abstieg auf die Arbeit der Führung.
Wie bewerten Sie das Wirken der VfB-Führung um den Präsidenten Bernd Wahler und den Aufsichtsratschef Joachim Schmidt?
Ich bin zu weit weg, um die Arbeit der sicherlich sehr bemühten Joachim Schmidt und Bernd Wahler im Detail beurteilen zu können. Nach mehreren Jahren des permanenten Niedergangs höre ich bei meinen Besuchen in Stuttgart aber immer die Unzufriedenheit der Leute über die Führung des VfB.
Was folgt für Sie daraus?
Ich habe Herrn Schmidt so kennen gelernt, dass er sich damit befasst, sich in der jetzigen Situation und angesichts der anstehenden Aufgaben wie der geplanten Ausgliederung von den Mitgliedern neu legitimieren zu lassen. Das entspricht ja auch dem sportlichen Gedanken, dem sich in einem Verein alle stellen müssen und dem auch immer wieder Trainer und Manager zum Opfer fallen. Erst nach einer solchen Bestätigung durch die Mitglieder, die ja auch ein wichtiges Signal für alle Sponsoren und Fans wäre, kann dann sicherlich auch der Aufsichtsrat mit einem guten Gefühl an einen erfolgreichen Neuaufbau gehen. Diesen wünsche ich dem VfB.