Meistertrainer Jürgen Klopp bereitet den BVB Dortmund gerade auf die neue Saison vor. Die Erwartungen sind hoch. Im StZ-Interview spricht er über die nächsten Schritte, Ex-VfB-Profi Julian Schieber und Joachim Löw.

Dortmund – Der Dortmunder Meistertrainer Jürgen Klopp (45) geht ganz entspannt in die neue Saison. Dabei baut er auch auf Julian Schieber, der vom VfB Stuttgart zur Borussia gekommen ist.
Herr Klopp, wie ausgeprägt ist Ihre Lust auf  Fußball, sieben Wochen nach den vielen   grandiosen Eindrücken rund um den Doublegewinn von Borussia Dortmund?
Sehr groß, ich bin froh, dass es jetzt wieder losgegangen ist. Die Eindrücke hier beim ersten Trainingslager sind wirklich gut. Das ist eine wunderschöne Gegend in Tirol, und das Wetter ist viel besser als erwartet. Wenn man nicht arbeiten müsste, könnte man hier glatt Urlaub machen.

Ist es ein großes Problem für Sie, dass der Kader derzeit ausgedünnt ist, weil die zehn Nationalspieler des BVB aufgrund der EM noch Urlaub haben und erst später dazustoßen?
Nicht wirklich. Kompliziert wäre die Lage nur, wenn wir nicht wüssten, wann die Jungs zu uns kommen und wir sie innerhalb von drei bis vier Tagen auf die Saison  vorbereiten müssten. So bleibt uns genügend Zeit, die Spieler in einen Zustand zu versetzen, dass sie absolut wettbewerbsfähig sind. Während einer Sommerpause musst du deinen Spielern mindestens drei Wochen absolute Erholung gönnen. Bei uns bekommen sie sogar drei Wochen und zwei Tage.

Wie großzügig.
Klar, so sind wir, da haben wir mal wieder richtig einen rausgehauen. Wenn die Nationalspieler wieder bei uns sind, werden die anderen schon richtig viele Kilometer gelaufen sein. Dann ist es deren Aufgabe, Gas zu geben und aufzuholen.

In Julian Schieber ist einer ihrer beiden wichtigsten neuen Spieler im Trainingslager dabei. Wie ist Ihr Eindruck?
Ich habe jetzt noch ganz bewusst kein Einzelgespräch mit ihm geführt, weil ich ihn in dieser Phase einfach machen lassen will. Er soll ein bisschen schauen und sich an uns gewöhnen. Mit Patrick Owomoyela als Zimmerpartner, da hätte er es durchaus schlimmer treffen können. Owo ist ein lustiger Vogel und großer Kommunikator, von daher glaube ich, die Integration wird zügig vonstattengehen. Auch wenn Julian ein Schwabe ist – und die brauchen ein bissle.

Wie wollen Sie Mario Götze an die Mannschaft heranführen, der im letzten halben Jahr kaum gespielt hat?
Das ist eine klassische Situation für solch einen Instinktfußballer, der so lange nicht das tun durfte, was er am allerliebsten macht. Wir werden ihm helfen und versuchen, ihm in der Vorbereitung viel Spielpraxis zu geben. Wir werden ihn darauf vorbereiten, idealerweise eine ganze Saison in einer richtig guten Verfassung zu bestreiten. Dann wird alles gut, dann ist die Qualität ausgesprochen hoch.

Mario Götze spielte bei der EM keine Rolle, so wie auch andere Dortmunder Spieler. Hat es Sie sehr enttäuscht, dass Ihre Jungs nicht mehr zur Geltung gekommen sind?
Ich war nicht enttäuscht von Jogi Löw, sondern eher als Trainer, der seine Jungs gerne sieht und gerne mag. Mats Hummels hat den Sprung zum Stammspieler geschafft, und die anderen sind alle noch jung genug, um ihre Rolle in der Nationalmannschaft ausbauen zu können. Es ist unsere Aufgabe, die Jungs so gut zu machen, dass über sie nicht mehr diskutiert werden muss.

Sie haben neulich gesagt, die EM habe gezeigt, wie wichtig es sei, streng nach Leistung aufzustellen. Das könnte an Kritik an Joachim Löw interpretiert werden.
Ich habe auch gehört, dass das so aufgenommen wurde. Der eine oder andere Nationalspieler war nicht hundertprozentig fit, und das Problem des Kollegen ist, dass er nur drei Wochen Zeit hat. Während einer Bundesligasaison kann ich sagen, geh noch mal raus und trainiere eine Runde. Löw kann das nicht, weil sein Wettbewerb so komprimiert ist.

Zum Schluss noch eine Wort zu Matthias Sammer: Sie haben gesagt, es hätte Ihnen mehr Kopfzerbrechen bereitet, wenn die Bayern ihn als Spieler in Bestform geholt hätten. Ist es Ihnen sogar recht, dass er der neue Sportdirektor in München ist, weil Sie die Favoritenrolle damit wieder den Bayern zuschieben können?
So richtig habe ich das mit der Favoritenrolle noch nie verstanden. Für mich geht es in erster Linie um Eigenwahrnehmung. Und die ist bei uns so, dass Erfolg auch etwas anderes bedeuten kann als den Gewinn der Meisterschaft. Wir haben für uns das Erreichen der Champions League als Ziel festgelegt. Das ist eine Ausrichtung, die nicht so viele Vereine in den Fokus nehmen können. Matthias Sammer war ein außergewöhnlicher Spieler mit großer BVB-Geschichte. Dazu kommt noch, dass ich ihn persönlich sehr mag. Sonst ist diese Personalie für uns nicht so wichtig.

Aber wenn auch der BVB in der Öffentlichkeit als Meisterschaftsfavorit wahrgenommen wird, ist das ja nicht gänzlich aus der Luft gegriffen. Schließlich hat der Club die Bundesliga zwei Jahre lang dominiert.
Wir haben auch festgestellt, dass wir gut kicken können. Aber deshalb schätzen wir unsere Situation weiter realistisch ein. Wir haben große Lust darauf, den nächsten Entwicklungsschritt zu nehmen. Darüber hinaus ist es mir wesentlich lieber, wenn wir als Titelaspirant gehandelt werden, als wenn uns niemand auf dem Zettel hat.