Sie haben im Biathlon mit 25 Jahren schon alles gewonnen. Haben Sie Ihre besondere Karriere nach Ihrer Rücktrittsankündigung zuletzt oft Revue passieren lassen?
Ich selber weniger als alle anderen um mich herum. Für mich ist das auch einfach: Ich konzentriere mich auf meinen Job, und den tue ich noch bis Ende März. Für mich ist es auch noch nicht so, dass ich zum letzten Mal an all den Weltcuporten bin. Ich werde sicher auch als Zuschauerin zurückkehren. Das wird toll: ganz stressfrei den anderen zuzugucken. Im Moment bin ich aber so fokussiert auf die WM, dass ich gar keine Zeit habe, darüber nachzudenken.

Sie blicken also gar nicht zurück?
Ich schaue natürlich schon immer ein bisschen zurück. Ich werde jetzt ja auch oft danach gefragt. Als Sportler, gerade wenn man erfolgreich war, hat man sicher ganz viele persönliche Höhepunkte. Es ging los 2007 in Antholz mit den drei Goldmedaillen bei der WM – und es hat sich durchgezogen. Aber ich sehe das mehr als ganzes Paket und schaue auf meine Karriere als einen tollen Lebensabschnitt.

Bereuen Sie etwas?
Ich bereue gar nichts. Sicherlich gab es Zeiten, da habe ich mir gesagt: Boah, das ist ganz schön viel und ganz schön heftig.

Wann war das?
2007 nach meinen WM-Titeln ist alles über mich hereingebrochen. Mein Leben hat sich von heute auf morgen komplett verändert. Es war schwer, damit umzugehen. Zuerst habe ich gedacht, ich müsste es allen recht machen. Aber das funktioniert nicht, und dann ist man selber nicht mehr glücklich. Teilweise habe ich mir gesagt: Ich kann nicht mehr. Und ich hatte ja noch meistens sehr gute Presse. Das Leben in der Öffentlichkeit ist nicht unbedingt normal. Wobei ich mittlerweile sehr gut damit klarkomme. Ich habe gelernt, es zu genießen.

Sie mussten in kurzer Zeit sehr viel lernen.
Ja, bei mir kam der zweite Schritt oft vor dem ersten. Die vergangenen fünf Jahre waren eine ziemliche Lebensschule. Ich musste schneller erwachsen werden, hatte kaum Zeit zum Überlegen. Das ist schön, aber auch eine Belastung. Doch als Sportler muss man durch Höhen und Tiefen. Das gehört dazu, daran wächst man. Ich weiß zum Beispiel, dass ich bei der WM nicht auf die falschen Scheiben schießen werde, so wie in Nove Mesto. Das ist doch schon mal super. Als Mensch muss man sich auch mal eingestehen, Fehler machen zu dürfen.

Haben Sie deshalb auch Olympia kritisiert, weil dort nur perfekt funktionierende Athleten erwartet werden?
Ich habe einfach nicht das Gefühl gehabt, dass es dort um den Sportler geht. Ich dachte, dass bei Olympia nicht nur der Profit zählt und nicht nur der megagroße Rummel. Ich dachte, ich kann mich mal mit meinen Eltern treffen und das auch kurz genießen. Doch so ist es nicht! Man wird von A nach B gezerrt, und es geht nur darum, dass jeder pünktlich seine Kamera auf mich hält und ich zum richtigen Zeitpunkt das Richtige sage. Ich habe meine Mama mit Tränen in den Augen nur aus der Ferne gesehen. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich war traurig und sauer – einfach enttäuscht.

Haben Sie diese Erfahrungen auch darin beeinflusst, nun Ihre Karriere zu beenden?
Nein, ich habe einfach lange und viel über diese Entscheidung nachgedacht. Jetzt ist die richtige Zeit für mich. Ich habe eben schon viel erreicht. Wofür soll ich mich noch motivieren? Und ich freue mich so wahnsinnig auf das, was kommt.

Was kommt denn?
In erster Linie werde ich die nächsten zwei bis drei Jahre erst mal mein eigenes Leben leben und ganz normale Dinge tun. Ich habe jetzt einfach mal Zeit. Und ich freu mich darauf, spontan zu sein. Einfach mit 25 morgens auch mal sagen zu können: „Nö, ich bleib heute mal liegen.“

Und danach?
Ich weiß noch nicht. Vielleicht studiere ich, vielleicht heirate ich.

Sehen Sie sich als Trainerin?
Nur für Kinder zwischen zehn und 14 Jahren.

Ihre 18-jährige Schwester Anna werden Sie in Zukunft also nicht betreuen?
Nein, ich glaube das würde nicht gutgehen – zwei Schwestern untereinander. Sie ist auch in meiner Trainingsgruppe, aber sie macht ihr Ding. Sie hat einen ziemlichen Sturschädel, so wie ich. Und das ist für ihre Entwicklung eine gute Voraussetzung.

Werden Sie in Wallgau bleiben?
Natürlich. Das ist meine Heimat, meine Wohlfühlzone. Ich habe dort mein Leben verbracht und gehöre einfach nach Wallgau. Wir sind eine starke Gemeinschaft.

Was wird sich am meisten für Sie verändern?
Als Sportler steht man während des ganzen Jahres unter einem gewissen Druck. Auch wenn man den selbst nicht so wahrnimmt. Aber eigentlich denkt man schon im April darüber nach: Wofür trainiere ich wieder? Man geht täglich mit einem unterschwelligen Druck ins Training. Und da bin ich mal gespannt, wie das ohne den Druck ist.