Eine regierungsnahe Zeitung in Aserbaidschan hat Sie beleidigt, weil Sie eine Freilassung politischer Gefangener vor dem European Song Contest forderten. Sie seien „besoffen“ und hätten ein Verhältnis mit einer Oppositionellen. Wie gehen Sie damit um?
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Die Vorwürfe sind abstrus. Es ist der offensichtliche Versuch zu schmähen. Das spricht für sich. Bei sachlichen Auseinandersetzungen suche ich den Dialog.

Ist dieser Liederwettbewerb in Baku am richtigen Platz?
Ich bin der Meinung, das wird in Baku im Mai ein tolles Fest. Aber man kann nur feiern, wenn alle mitfeiern dürfen. Dazu gehören auch die Leute, die dort wegen Meinungsäußerungen im Gefängnis sitzen. Heute kam wieder ein Aufruf von 25 aserbaidschanischen Intellektuellen: Die sprechen von 60 politischen Gefangenen, und sie fordern deren Freilassung. Das ist ein legitimes Anliegen. Aserbaidschan ist Mitglied im Europarat, hat freiwillig die Menschenrechtskonvention unterzeichnet. Zu deren Zielen gehören Rechtsstaatlichkeit, freie Wahlen und freie Meinungsäußerung. Daran müssen die sich auch halten.

Noch mal zu China. Sprechen Sie auch so behutsam wie die Kanzlerin, die nur die Stärkung der Zivilgesellschaft anmahnte?
Es ist klar, dass ich aus meiner Rolle heraus anders formulieren würde. Aber im Grunde geht es in dieselbe Richtung: Wo sich eine Mittelschicht entwickelt, kann sich die Zivilgesellschaft stärker artikulieren. In China fordern Arbeitnehmer Mitsprache ein, lokale Medien berichten über korrupte Kader und dass Bürger sich illegale Landnahme nicht mehr gefallen lassen. Da bewegt sich viel, es gibt hoffnungsvolle Tendenzen.

Sie reisen Montag nach Guantánamo. Was kann ein Deutscher dort bewirken?
Ich möchte mir einen eigenen Eindruck von dem Gefangenenlager machen. Präsident Obama hat einige Anstrengungen zur Schließung des Lagers unternommen. Er hat die Folter gestoppt, die Zahl der Gefangenen vermindert und deren Rechte verbessert. Aber das reicht nicht. Guantánamo muss geschlossen werden. Meiner Ansicht nach liegt der Schwarze Peter beim US-Kongress. An ihn möchte ich appellieren: Ihr müsst den Häftlingen rechtliches Gehör gewähren.
Das Gespräch führte Christoph Link.