Sport: Dominik Ignée (doi)
Zuvor hatten Sie Rosbergs Manöver hart kritisiert, warum sprechen Sie plötzlich von einem normalen Rennunfall?
Es geht darum, zu welchem Zeitpunkt ein Fahrer solch eine Aktion setzt. Dass es in Spa schon in der zweiten Runde zur Berührung kam, das war der Fehler. Mich ärgert, dass wir ein sicheres Rennen für Mercedes zerstört haben.
Rosberg könnte glauben, es wird im Team mit zweierlei Maß gemessen. Er wird bestraft, Hamilton nach dem Vorfall in Ungarn aber nicht.
Ich habe mit Nico in Wien ein ganz offenes Gespräch geführt. Dort hat er mich dafür kritisiert, dass ich, ohne vorher mit ihm zu sprechen, mein Urteil zu der Spa-Aktion abgegeben habe. Ich schüttelte ihm die Hand und sagte: ,Dafür entschuldige ich mich. Da hast du recht.‘ Ich hätte ihn vorher fragen können, doch ich fürchte, mein Urteil wäre das gleiche gewesen. Das habe ich Nico auch so gesagt.
Hamilton gilt als einer der besten Piloten im Feld. Wundert es sie, dass Rosberg so gut dagegenhält?
Nein, das wundert mich nicht. Ich war von Nico schon immer sehr beeindruckt und weiß, was er zustande bringen kann mit seinem Intellekt und seiner Feinabstimmung am Auto. Und ich weiß, wie er sich für die Formel 1 engagiert: nämlich zu 110 Prozent. Er schaut nicht nach links oder rechts, er ist voll fokussiert. Und dass sich die beiden einen harten Kampf liefern, ist das Beste, was uns passieren kann.
Ist Rosberg eher Technokrat und Hamilton mehr der Instinktfahrer?
Das ist etwas überspitzt formuliert. Lewis hat das unglaubliche Talent, beim Überholen Löcher zu finden, die gar nicht da sind. Beide haben ihre Qualitäten unterschiedlicher Art. Aber am Schluss, wenn es um die Rundenzeit geht, da sind sie dann wieder gleich. Das ist ja gerade das Tolle.
Erinnert Sie das heftige Mercedes-Duell eigentlich an das Jahr 1984? Sie und Ihr McLaren-Kollege Alain Prost schenkten sich auch nicht viel.
Wir haben uns das ganze Jahr über ein Kopf-an-Kopf-Rennen in allen Phasen geliefert. Wir sind uns aber nie gegenseitig ins Auto gefahren, das will ich hier einmal betonen. Im letzten Saisonrennen war ich Elfter am Start, Alain stand auf der Pole. Ich musste also ganz nach vorne fahren und wusste, dass ich keinen Fehler machen darf, denn sonst würde die WM tot sein. Ich wurde dann trotz eines defekten Turboladers mit Hängen und Würgen Zweiter und mit einem halben Punkt Vorsprung Weltmeister. Manchmal muss man auch vom Gas gehen, um eine WM zu gewinnen.
Können Fahrer in einem Team überhaupt Freunde sein?
Nein. Das geht nicht. Mein andere Teamkollege John Watson fuhr damals weit hinter mir her. Mit ihm bin ich auch ein Bier trinken gegangen, das ging. Aber je mehr das Konkurrenzdenken zunimmt, sagt man sich, dass man mit dem Teamkollegen gar nicht befreundet sein will. Prost habe ich am Sonntag vor dem finalen Rennen 1984 nur dabei zugeschaut, wie er an seinen Fingernägeln kaut. Er hat mehr an ihnen herum gebissen als sonst. Er war also nervös.
Ihre Doppelfunktion als Fernseh-Experte bei RTL und als Team-Aufsichtsrat bei Mercedes scheint Sie wenig zu stören. Können Sie vor der Kamera die eigene Mannschaft objektiv beurteilen oder kommen Sie da in einen Konflikt?
Null. Ich mache das so objektiv wie immer. RTL hat eine Umfrage gemacht. Sie ging für mich aus und hat herausgefunden, dass ich jetzt sogar noch objektiver bin als vor meiner Mercedes-Zeit. Aber ich sage immer noch, was ich denke. Dafür bin ich da.