Der Fußballprofi Oliver Barth (32) aus Schmiden spricht über den Wechsel vom Bundesligisten SC Freiburg zum Zweitligisten VfR Aalen.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Fellbach – Herr Barth, Spanien hat seinen Titel als Fußball-Europameister am Sonntag in Kiew mit einem 4:0-Sieg gegen Italien eindrucksvoll verteidigt. Hat Sie die Deutlichkeit des Ergebnisses auch überrascht?
Ich denke vor allem in ersten Hälfte war’s ein enges, taktisch geprägtes Spiel. Das Ergebnis fiel am Ende zu hoch aus – auch dank der spanischen Überzahl. Alles in allem war es aber ein absolut verdienter Sieg der Spanier, die bewiesen haben, dass sie aktuell die beste Mannschaft sind. Ihr Spiel ist vom Ballbesitz geprägt – sie schaffen es, sich darüber immer wieder Torchancen zu erarbeiten. Dazu stehen sie defensiv sehr gut, bekommen kaum Gegentore. Das ist ihr Geheimnis.

Die deutsche Auswahl hat sich alles in allem auch ganz gut präsentiert – wenn man von der 1:2-Halbfinalniederlage gegen Italien absieht. Was macht sie so stark?
Ich denke vor allem das Kollektiv. Alle Spieler harmonieren gut und arbeiten gut zusammen. Es zeigt sich immer wieder, dass solche Turniere über das Kollektiv gewonnen werden. Das sieht man beispielsweise an Deutschland und Spanien: Die Ansammlung von Stars funktioniert als Team.

Mario Gomez vom FC Bayern München war mit drei Treffern einer der besten Torschützen der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. Sie haben als Verteidiger in der Bundesliga schon gegen viele gute Stürmer gespielt – ist er der beste?
Er gehört sicherlich zu den Topstürmern der Bundesliga. Er ist physisch sehr stark und bringt eine enorme Dynamik und Wucht mit. Zudem hat er einen guten Abschluss, sowohl mit links als mit rechts – und auch mit dem Kopf. Wenn er das entsprechende Selbstvertrauen hat, ist er sehr schwer aufzuhalten.

Wie sieht denn Ihre persönliche Bilanz im Trikot des SC Freiburg gegen ihn aus?
Sagen wir so: Gegen die Bayern haben wir nie gewonnen. In der Bundesliga hat man es jede Woche mit Topstürmern zu tun, ob das Mario Gomez, Klaas-Jan Huntelaar vom FC Schalke 04 oder Robert Lewandowski von Borussia Dortmund war.

2001 spielten Sie als 21-Jähriger noch für den SV Fellbach in der Verbandsliga. Hätten Sie da gedacht, dass Sie mal in der Bundesliga ankommen würden?
Zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Ich hatte den Traum früher, als ich beim VfB Stuttgart in der Jugend war. Da habe ich aber den Sprung ins Amateurteam nicht geschafft. Ich war dann ein Jahr beim TSV Schmiden und anschließend beim SV Fellbach – da war Profifußball für mich ad acta gelegt. Ich habe mich dann aber gefreut, als 2001 mit 21 das Angebot der Stuttgarter Kickers kam. Im Nachhinein habe ich alles richtig gemacht. Dass der Weg aber so bis in die Bundesliga weitergehen würde, habe ich damals nicht gedacht.

Der Bundesligist SC Freiburg hat Ihren auslaufenden Vertrag nach der vergangenen Saison nicht verlängert, obwohl Sie stellvertretender Kapitän der Mannschaft waren. Wie sehr hat Sie das enttäuscht?
Am Anfang war ich natürlich schon enttäuscht, als ich gesagt bekommen habe, dass der Verein nicht mehr mit mir plant, weil ich mir über Jahre in Freiburg etwas aufgebaut und mir einen Stellenwert im Verein und der Mannschaft erarbeitet hatte. Wenn dann aber ein bisschen Zeit vergeht, überwiegt der Stolz auf die Zeit und was ich mit der Mannschaft erlebt habe. Das ist verarbeitet: Ich schaue nur noch nach vorne, wie es in Aalen weitergeht.

Wie kam es denn zu Ihrem Wechsel zum Zweitliga-Aufsteiger VfR Aalen?
Ich wollte in Baden-Württemberg bleiben – ich bin heimatverbunden. Ich habe den Weg des VfR Aalen in der Rückrunde verfolgt. Am Ende der Saison gab es den ersten Kontakt mit dem Sportdirektor Markus Schupp und dann habe ich mich dafür entschieden, nach Aalen zu gehen. Für den VfR ist die zweite Liga Neuland. Ich bin gespannt, wie die Saison laufen wird.

Sind Sie traurig, dass Sie künftig nicht mehr wie in den vergangenen Spielzeiten auf dem allerhöchsten Niveau in der Bundesliga gegen die Topleute spielen werden?
Traurig würde ich nicht sagen. Die zweite Liga ist attraktiv in dieser Saison mit den drei Absteigern Hertha BSC Berlin, 1. FC Köln und 1. FC Kaiserslautern. Das wird interessant, die zweite Liga ist auch gut besetzt. Da muss man sich auch jede Woche auf hohem Niveau beweisen.

Träumen Sie von einer Rückkehr in die erste Liga oder ist das Thema für Sie abgehakt?
Ich glaube, da bin ich Realist genug zu wissen, dass ich keine fünf Jahre mehr Fußball spielen werde und zurück in die Bundesliga komme. Ich werde im Oktober 33. Ich habe jetzt in Aalen für ein Jahr plus Option unterschrieben. Mal schauen, wie die Saison läuft.

Was sind Ihre schönsten Erinnerungen an die Erstliga-Zeit?
Woche für Woche in den großen Stadien zu spielen vor 60 000, 70 000 Zuschauern gegen die Topstars. Die Bundesliga ist mit der englischen Premier League die stärkste Liga Europas. Das ist die schönste Erinnerung, gegen wen – welche Vereine und Spieler – man gespielt und mit wem man sich gemessen hat. Wir haben einige Erfolge in meiner Freiburger Zeit gefeiert: Wir sind aus der zweiten Liga aufgestiegen und haben mit geringem Etat die Klasse gehalten.

Haben Sie irgendwelche negativen Erinnerungen?
Da fällt mir auf Anhieb nichts ein.

Gab es beispielsweise vielleicht mal einen rabenschwarzen Tag, als ein Stürmer gegen Sie drei Tore erzielt hat oder so?
Wir haben mal 0:7 gegen die Bayern verloren. Aber da hatten wir alle einen ziemlich schwarzen Tag, das bleibt nicht negativ in Erinnerung.

Es gab nach dem Erstliga-Aufstieg des SC Freiburg negative Stimmen, die Ihnen nicht zutrauten, auf allerhöchstem Niveau mithalten zu können. Denkste!
Ich denke, ich habe mir selbst und allen anderen bewiesen, die es mir nicht zugetraut hatten, dass es in dem Moment auch für die erste Liga gereicht hat.

Hatte Ihre monatelange Verletzungspause Anteil daran, dass Sie in Freiburg keinen neuen Vertrag bekommen haben?
Das kann man so sehen. Es war aber sicher nicht der ausschlaggebende Grund. Es ist natürlich ärgerlich: Ich bin fast ein halbes Jahr wegen meiner Knieverletzung ausgefallen und habe viel Zeit verloren. Und im Sport ist es nun einmal so: Der Ball rollt weiter – und ich konnte nichts beitragen.

Wie sehen Ihre Ziele mit dem VfR Aalen aus?
Der VfR ist das erste Mal in die zweite Liga aufgestiegen. Für uns zählt in erster Linie der Klassenverbleib. Wir gehören zu den fünf, sechs Abstiegskandidaten. Es gilt, drei Mannschaften hinter uns zu lassen.

Was nehmen Sie sich persönlich vor?
In erster Linie möchte ich hier ankommen. Wir sind seit vergangener Woche im Training. Ich lerne gerade meine neuen Kollegen kennen. Die Jungs sind alle in Ordnung – ich bin ja auch ein umgänglicher Mensch. Ich möchte einfach so viele Spiele wie möglich machen und dazu beitragen, dass wir als Team die Klasse halten können.

Machen Sie sich augenblicklich schon Gedanken, wie es nach Ihrer Profikarriere beruflich weitergehen wird? Ist eine Rückkehr in Ihr altes Feld als Groß- und Außenhandelskaufmann eine Option, oder wird Ihr künftiger Job eher auch etwas mit Fußball zu tun haben?
Natürlich mache ich mir schon Gedanken, was danach kommen wird – deshalb habe ich jetzt auch den Schritt zurück in die Region gemacht. Da ich nun schon längere Zeit mit dem Fußball verbunden bin, werde ich in nächster Zeit meine Trainerscheine machen und hoffe, dass ich in diesem Bereich arbeiten kann.

Im Ü-30-Seniorenteam des SV Fellbach haben sich mittlerweile einige alte Weggefährten und Freunde von Ihnen wie Adriano Marrazzo und Nicos Papadopoulos versammelt. Haben Sie von Ihnen schon eine Anfrage für die Zeit nach Ihrer Profikarriere?
Sie haben gesagt, dass sie mir ein Trikot aufheben – aber das war mehr als Spaß gedacht. Mal schauen, wie lange ich noch professionell spiele und dann sehen wir, was kommt. Ich denke schon, dass ich zum Spaß noch spielen werden. Der Kontakt ist nie abgerissen. Ich habe immer noch die gleichen Freunde wie früher.