Der Produzent Stewart Lyons war für alle 62 Folgen der US-Erfolgsserie „Breaking Bad“ verantwortlich. Bei einem Symposium an der Stuttgarter Merz-Akademie hat er von seinen Erfahrungen berichtet.

Stuttgart - Er hat aus Drehbüchern Drehpläne gemacht, den Geldgebern Sonderausgaben für besondere Aufnahmen abgeluchst sich auch sonst um den Dreh von „Breaking Bad“ in New Mexico gekümmert. Stewart Lyons lässt im Gespräch aber wenig Zweifel daran, dass er keinen Tag Arbeit bereut.

 
Mister Lyons, dank der neuen Qualitätsserien werden auch kluge Leute von einem Phänomen eingeholt, das sie einst für die dümmste Form des Medienkonsums hielten. Sie leiden Episode um Episode mit den Figuren einer Serie mit. Wie gehen Sie denn mit der Macht um, reale Menschen unglücklich machen zu können?
Es stimmt schon, „ Breaking Bad“ hat manchmal weh getan. Aber das war von Anfang an der Kern der Vision von Vince Gilligan, dem Erfinder der Serie. Es sollte keine Beliebigkeiten und Kompromisse geben. Alle Handlungen der Figuren sollten Konsequenzen haben. Niemand sollte mit irgendetwas durchkommen, nichts sollte vergeben und vergessen werden, nur weil die Zuschauer diese oder jene Figur mochten. Ein Beispiel: Tuco, ein wirklich mieser Typ, wird vom Polizisten Hank erschossen. In einer Serie alten Stils hätten Hanks Kollegen ihm auf die Schulter geklopft, und in der nächsten Episode wäre alles vergessen gewesen. In „Breaking Bad“ geht das Geschehen Hank nach, Schlimmes löst sich nicht in Wohlgefallen auf. Darauf basiert die Qualität der Serie. Aber Sie schauen sich das auf eigenes Risiko an.
Konnten Sie immer richtig einschätzen, wie sich die Sympathien des Publikums verteilen würden und womit Sie schockieren konnten?
Zunächst war es nicht so, wie manchmal behauptet wird, dass Vince Gilligan die Geschichte fertig im Kopf hatte. Wir wussten, da ist ein Lehrer, der bekommt Krebs, wird zum Drogenhändler und wird das letztendlich nicht überleben. Alles andere hat sich nach und nach entwickelt, wobei wir jede Menge Überraschungen erlebt haben. Die größte war, wie wenig Sympathie das Publikum für Skyler hegte, für Walters Frau. Ihr Mann ist todkrank, er verhält sich absolut unverständlich, sie ist schwanger, es gibt keinerlei Ersparnisse – Skyler müsste in ihrer Verzweiflung doch eine Sympathieträgerin sein. Aber die Leute haben sie gehasst. Meine eigenen Kinder sagten: „Ach, Papa, dieses Miststück!“ Es gab zeitweilig Todesdrohungen gegen die Schauspielerin Anna Gunn, die wir nicht auf die leichte Schulter nehmen durften.
Hat das die Serie verändert?
Nein, es ist einfach der Preis des Erfolges. Wenn Sie von zehn Millionen Leuten geschaut werden, dann sind unvermeidlicherweise auch ein paar komplett Verrückte dabei. Unglückseligerweise besitzen solche Durchgedrehten in unserem Land oft Schusswaffen, das ist eines der großen Probleme der USA.
Sind Sie also nicht doch froh, Walter, Jesse und die anderen endlich los zu sein?
Ich bin sie ja gar nicht los. Wir drehen ein Prequel, „Better Call Saul“, in dem einige der Figuren wieder auftauchen. Ich will sie alle wiedersehen. An etwas teilzuhaben, das so viel intelligente Aufmerksamkeit findet, das war absolut erhebend.