Region: Verena Mayer (ena)
Sie würdigen außer Bienzle auch „Hannes und der Bürgermeister“ und „Häberle & Pfleiderer“. Befördern Sie damit nicht das Klischee vom betulichen, grenzdebilen Schwaben?
Das Buch ist eine Gratwanderung, ein Grenzgang, der der Frage hinterher schleicht, was wirklich nur noch Klischee ist und wo sich etwas gewandelt hat. Das Wort Klischee sagt sich sehr leicht, aber Klischees haben auch was für sich. Es gibt nun mal bestimmte Eigenschaften oder Vorlieben, die einen Landstrich prägen. Das zu beschreiben war mir wichtig. Aber natürlich wissen wir alle, dass sich Dinge ändern. Meine Mutter hat sich neulich bitterlich beklagt, dass das mit den neuen Bewohnern im Haus und dem Kehrwochenschild überhaupt nicht mehr funktioniert. Alles läuft sozusagen aus dem Ruder. Manche Dinge nivellieren sich ganz automatisch.
Hätte sich dafür nicht ein Kapitel über beispielsweise Cro angeboten?
Wer ein Held des Südwestens werden will, dem muss schon ein bisschen Patina anhaften, das Heldentum muss sich etwas gesetzt haben. Ich will nicht ausschließen, dass jemand bereits mit 26 Jahren ein Held werden kann. Steffi Graf und Boris Becker waren das sogar noch früher – aber sie sind es im Rückblick noch stärker geworden.
Das „Hamburger Abendblatt“ hat Sie als „Schwabe mit sonnigem Gemüt“ beschrieben. Fühlen Sie sich gut getroffen?
Ich habe die Fähigkeit, sehr offen auf Dinge zuzugehen und auch hinter dem, was das Leben an Ernst bietet, die heiteren Seiten zu sehen. Ich war immer neugierig, deshalb beackere ich auch ein relativ breites Feld an Themen. Diese Offenheit, sich allem zu stellen, alles auch mal ironisch zu beleuchten, nicht allzu ernst zu nehmen, das gehört zu mir. Ob man das als sonniges Gemüt bezeichnen muss, ist eine andere Sache. Das klingt ja auch immer etwas einfältig.
Das „Abendblatt“ hat auch geschrieben: „Dieser Mann kann reden! Da sind selbst die Enten an der Außenalster baff. Über alles einfach.“ Schmeichelt Ihnen das?
Man muss aufpassen, das ist ein doppelzüngiges Kompliment. Jemand, der über alles reden kann, das kann auch nur ein Dampfplauderer sein. Es ist richtig, dass ich mich gerne zu allem möglichen äußere, aber das wollte ich auch nie ändern. Ich versuche, den unterschiedlichen Themen mit Ernst entgegenzutreten, ob ich über Peter Handkes neuen Roman schreibe oder über ein Konzert von Andrea Berg.
Also kein Dampfgeplauder?
Sicherlich ist mir nicht immer alles gelungen, dann sage ich abends zu mir: Ach, wenn du geschwiegen hättest, wäre es auch nicht schlecht gewesen. Aber es gehört nun mal zu mir, viele Themen zu durchdenken und darüber zu sprechen. Und zur Not hält einen die Familie unter Kontrolle. Meine Mutter etwa geht selten mit, wenn ich in Heilbronn auftrete. Einmal hat sie gesagt: „Ich bleibe lieber zuhause. Wenn du anfängst zu sprechen, kriege ich kalte Füße.“
Würden Sie sich freuen, wenn ich Sie Schwertgosch nenne?
Dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Als Literaturkritiker schreibe ich mindestens so gerne Verrisse, wie ich Lobeshymnen schreibe. Und im Schwäbischen ist Beleidigung ja nicht gleich Beleidigung. Es gibt so viele schöne Möglichkeiten, ungeliebte Personen anzusprechen, ohne dass es sich beleidigend und unschön anhört. Leider kann ich die wenigsten in meinem Alltag einsetzen. Ich kann zu meinen Hamburger Kollegen nicht sagen: Wer war der Lahm-siach oder die Tranfonzel? Die würden mich nicht verstehen.
Sie haben Bücher geschrieben über: Fußball, Schlager, Optimierungsquatsch, Schlafberater, Fernbeziehungen, Liebe, Richard Yates, Marcel Proust und auch darüber, wer den schlechtesten Sex hat. Gibt es etwas, über das Sie nicht schreiben würden?
Das entscheide ich immer von Fall zu Fall. Aber altmodisch wie ich bin, würde ich nur etwas zu Themen schreiben, mit denen ich etwas anfangen kann. So lehne ich auch Anfragen zu Themen ab, zu denen ich nicht mehr sagen kann, als in Wikipedia steht.