Die österreichische Fernsehköchin Sarah Wiener wird am Montag fünfzig Jahre alt – Zeit, um mit ihr über deutsche Esskultur, Genfood und Männer am Herd zu sprechen. Im StZ-Interview verrät sie auch, was das perfekte Geburtstagmenü ist.

Stuttgart/Berlin – Die Starköchin Sarah Wiener wird am Montag fünfzig Jahre alt und hat als Unternehmerin alle Hände voll zu tun. Trotzdem hat sie sich – in der Rikscha unterwegs zu ihrem Berliner Brotladen – Zeit genommen, um mit Verena Orth über Themen zu sprechen, die sie bewegen.
Frau Wiener, als Österreicherin haben Sie einen ungetrübten Blick auf die Deutschen. Ist es eine deutsche Unart, sich nicht genug Zeit zu lassen beim Essen?
Oh. Essen hat immer einen kulturhistorischen Background. Es gibt keine Unarten. Und das Schlingen ist ein Problem aller Industrienationen. Allerdings ist es hier schlimmer als anderswo. In Deutschland ist die Discounterdichte am höchsten, und das generiert ein bestimmtes Essverhalten.

Die Deutschen verehren das italienische Essen. Fehlt uns der Nahrungs-Nationalstolz?
Ja, das glaube ich schon. Es fehlt den Deutschen sowieso ein bisschen an Selbstwertgefühl, an Stolz für ihre Produkte. Das kommt sicher aus der Geschichte. Ab einem Zeitpunkt hat man sich geschämt, aus Deutschland zu sein. Das ändert sich. Mittlerweile sind Leute stolz auf Produkte, auf das, was sie leisten. Aber das ist noch ein zartes Pflänzchen.

Warum boomen Kochshows?
Ich glaube, je mehr Fertignahrung wir essen, umso größer wird die Gruppe derer, die wissen möchten, was im Essen steckt, die ursprüngliche Lebensmittel statt Chemie wollen. Dazu kommt noch, dass viele nicht mehr kochen können, anderen gerne bei der Arbeit zuschauen und sich denken ,Jesses, das ist ja einfach und schaut so elegant aus.‘ Und die meisten Kochshows sind ja eben das: Shows. Kochen ist nur der Aufhänger für Wettbewerb, Psychostudien, Voyeurismus, was auch immer.

Bücher wie Foers „Tiere essen“ und Duves „Anständig essen“ wurden heftig diskutiert. Ändert sich das Konsumbewusstsein?
Es muss sich ändern! Ganz radikal muss sich das ändern! Wir wissen, und das ist kein esoterisches Geschwätz, dass es so nicht weitergeht. Unser Essverhalten wirkt sich bis in die letzten Andentäler aus und unterwandert die Ernährungssouveränität anderer. Wir vernichten Ressourcen, zerstören Böden, verschmutzen Grundwasser. Wir müssen eine Alternative zu unserer unermesslichen billigen Gier finden.

Was halten Sie von alternativen Produkten, Mondscheinkäse aus „Herstellung nach kosmischen Konstellationen, mit Aqua-Luna-Wasser und Energetisierung des Salzbads“?
Wenn’s hilft. Ich möchte nicht so vermessen sein zu behaupten, es gäbe keine Stoffe, von deren Wirkung wir nichts wissen. Aber ob das gerade der mondbestrahlte Käse oder das linksgerührte Honigbad ist, das muss jeder für sich entscheiden.

Sind Sie vehement gegen Genfood?
Ich bin absolut gegen gentechnisch manipulierte Organismen. Die Forschung ist noch nicht so weit. Man spielt mit einer Technik, die nicht rückholbar ist, deren Zusammenhänge und Folgen wir nicht verstehen. Da stecken keine Institute dahinter, die Gutes tun wollen, sondern Großkonzerne, die Milliarden in Forschung und Lobbyarbeit pumpen, um Geld zu machen. Gentechnik ist keine Lösung. Wir brauchen den Systemwechsel und müssen uns auf andere Werte als Wachstum besinnen. Werte des Teilens, der Kommunikation, der selbsterneuernden Kreisläufe. Weibliche Werte!

Wo sind die Frauen in Ihrer Branche?
Das frage ich mich auch! Ich denke, Kochen als Beruf ist ein Abbild der Gesellschaft. Da könnte man auch fragen: warum werden Frauen schlechter bezahlt und oft übergangen? Ich bin für die Frauenquote, weil noch nie jemand ohne Druck Macht, Geld oder Ansehen abgegeben hat. Ich hätte auch selber gerne mehr Küchenchefinnen, aber das ist, als würde man sagen: „Ich will mehr Bauarbeiterinnen“. Die Arbeit ist hart, unterbezahlt und familienfeindlich.

Wie bewerten Sie Macho-Kochtrends, zum Beispiel in der Zeitschrift „Beef“?
Je mehr klar wird, dass es existenziell notwendig ist, weniger Fleisch zu essen, desto stärker wird der Trend, sich jetzt erst recht ein Kilo Rumpsteak reinzuhauen. Ich möchte das nicht psychologisieren, aber es ist eine spezielle Art Mann, die sich dieses Luxusheft kauft. Ich finde das toll, wenn jemand sein Geld in kleine Kupfertöpfchen versenkt. Früher waren es die Autos, jetzt ist es der Herd. Man sagt ja auch langen Autos Eigenschaften nach . . . Ach, ich hätte sehr gerne eine Kolumne in „Beef“.

Bekocht Ihr Mann Sie am Montag, zur Feier Ihres fünfzigsten Geburtstages ?
Ach, endlich fünfzig! Ich wäre allerdings lieber schon sechzig, denn da würden die Leute sagen: „Du siehst aber noch jung aus.“ Mein Mann ist leider beim Drehen. Aber ich lade mir eine Handvoll Leute ein, meine besten Freunde, die, die habhaft sind. Es gibt Spaghetti mit Tomatensoße. Von den besten Tomaten der Welt: Corbara-Tomaten, die ich in Süditalien zu Sugo verarbeitet habe. Das, und dazu Balkonbasilikum und alter Parmesan. Einen Teller Nudeln für alle! Na, vielleicht gibt’s vorher und nachher auch noch was . . .