Als Kreisrätin haben Sie die umstrittene Schließung der Krankenhäuser in Backnang und Waiblingen und den Neubau in Winnenden mitgetragen. Waren diese Entscheidungen im Nachhinein betrachtet richtig?
Als Vorsitzende der SPD-Fraktion im Kreistag war ich hautnah dabei, und ich muss sagen, es waren keine schönen Erlebnisse. Wenn einem jemand ins Gesicht sagt, er wünsche sich, dass meiner Tochter etwas zustoße, damit ich merke, wie weit der Weg ins neue Krankenhaus ist, dann ist das belastend. Die Entscheidung war trotzdem richtig, weil Backnang und Waiblingen in einem Zustand waren, der den heutigen Bedürfnissen nicht mehr Rechnung trägt. Nur mit einem modernen Krankenhaus kann man qualifiziertes Personal binden.
Mehr Emotionen wecken als die Schließung einer Klinik dürfte nur der Abriss einer Kirche.
Soll ein Krankenhaus schließen, dann sind die Menschen für Argumente oft nicht mehr zugänglich, dann kommt vieles aus dem Bauch heraus. Da heißt es dann, ich bin in dem Krankenhaus geboren, das dicht gemacht werden soll und das ist ganz schlimm. Oder schauen Sie nach Leonberg, wo es Demonstrationen für das Krankenhaus gab und wo öffentlich darüber diskutiert wurde, ob Chefarztstellen neu besetzt werden müssen. Wenn sie die Leute aber fragen, wo sie bei einer planbaren Operation hingehen, dann entscheiden sie sich häufig für die Koryphäe, egal, wie weit entfernt diese anzutreffen ist – und eben nicht für das nahe Haus. Das ist paradox. Aber die Menschen entscheiden nun mal mit ihren Füßen darüber, welche Klinik überlebt.
Braucht Leonberg ein Krankenhaus, wenn 2022 die neue Flugfeldklinik kommt?
Leonberg ist von seiner Auslastung ordentlich. Wenn die große Flugfeldklinik kommt, muss man überlegen, welche Disziplinen in Leonberg angeboten werden und welche allein der Flugfeldklinik vorbehalten bleiben sollten. Ich fördere kein Krankenhaus in der Dimension der Flugfeldklinik, wenn an anderen Standorten alles gleich bleibt.
Die Menschen werden immer älter. Braucht es gerade für deren Versorgung Häuser wie die Leonberger Klinik?
Angesichts der demografischen Entwicklung ist es wichtig, dass wir in erreichbarer Entfernung Krankenhäuser vorhalten, die eine Grundversorgung abdecken. Ich habe nicht den Schlaganfallpatienten vor Augen, sondern den Senior mit Lungenentzündung. Das Problem liegt im Fallpauschalensystem, das es zwar honoriert, wenn ich 500 neue Hüftgelenke einsetze, aber nicht, wenn ich hundert multimorbide Patienten ganzheitlich versorge. Bei einem alten, multimorbiden Menschen, der einen Oberschenkenhalsbruch hatte und an Diabetes und Herzschwäche hat, kann ich nicht nur den Bruch honorieren.
Was muss sich an den Fallpauschalen ändern?
Man muss überlegen, wie viel vergütet man für Diagnosen, wie viel für die sprechende Medizin. Für letztere muss sicher mehr Geld zur Verfügung gestellt werden.
Die Verzahnung von ambulant und stationär ist viel beschworen, aber kaum umgesetzt. Wäre dies nicht ein Weg, um in ländlichen Gegenden eine Grundversorgung zu sichern?
Wir wollen ein Modellprojekt zur integrierten Versorgung auf den Weg bringen. Es soll möglich gemacht werden, dass ein niedergelassener Arzt im Krankenhaus arbeitet und dies abrechnen kann und das Krankenhaus die Nachsorge übernehmen kann. Der Patient muss dann am Freitag, nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, nicht mehr sofort seinen Hausarzt aufsuchen, weil von den Klinikärzten nur die Medikamente für diesen Tag bekommen hat, nicht aber fürs Wochenende.
Wie wird die Krankenhauslandschaft in Baden-Württemberg in 20 Jahren aussehen?
Wir werden Versorgungsschwerpunkte mit Höchstleistungsmedizin haben, gleichzeitig aber in der Fläche Gesundheitsstandorte, an denen sich ambulante und stationäre Versorgung treffen. Wir werden vielleicht auf manches kleine Krankenhaus in Ballungsräumen verzichten müssen.
Sie haben die Investitionskostenzuschüsse erhöht. Reicht dies aus?
Für den nächsten Doppelhaushalt haben wir fast 900 Millionen eingestellt. Ich habe einen Investitionsstau von nahezu 1,4 Milliarden Euro übernommen, den wir Zug um Zug abbauen. Wenn wir Krankenhausstrukturen weiterentwickeln wollen, werden wir nicht sagen können, jetzt haben wir soundsoviel hundert Millionen ausgegeben, jetzt ist alles gut. Investitionen in Krankenhäuser sind gut angelegtes Geld.