Wie schlägt sich der Zeitgeist im neuen Album nieder?
Weber: Es gibt zum Beispiel das Lied „Zwischen den Welten“, das bezieht sich auf den Anschlag auf das Konzert im Bataclan-Theater in Paris im November 2015. Es geht darum, dass man zu ein und demselben Zeitpunkt vollkommen ambivalente Empfindungen haben kann. Als der Anschlag stattgefunden hat, ging es uns persönlich und als Band gerade super. Aber als wir davon gehört haben, hat uns das natürlich total runter gezogen, schließlich war es auch ein Anschlag auf die Musikbranche. Je näher diese Dinge rücken, umso betroffener machen sie uns. Das Absurde daran ist, dass gleichzeitig in Aleppo 500 Menschen durch Fassbomben ums Leben kommen und uns das nicht so berührt wie zum Beispiel der Amoklauf in München, bei dem neun Menschen gestorben sind. Es ist wichtig, dass uns die Angst nicht übermannt und wir weiterhin eine aufrechte, solidarische Gesellschaft sind, die sich ihre Freiheit und ihren Lebensstil nicht nehmen lässt. Das kann auch mit Musik funktionieren.
Linhof: In der Politik findet momentan eine krasse Radikalisierung statt, es geht nur noch um aggressive Emotionen. Die fallen auf fruchtbaren Boden, weil hier in der Gesellschaft etwas passiert, so dass sich manche Menschen abgehängt fühlen. Man kann den Terror und die Angst nicht einfach abschalten, aber Wege finden, wie man damit umgeht. Unsere Musik soll ein kleiner Beitrag dazu sein.
Haben Sie ein Problem damit, dass Hits wie „’54, ‚’74, ‚’90, 2010“ in Bierzelten gespielt werden?
Linhof: Als Trink-Toast finde ich es blöd, also erst „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ und dann im Anschluss direkt den Refrain von „’54“ hinterhergegrölt. Da habe ich schon mal einer Bierzeltband auf der Wiesn einen Brief geschrieben und sie gebeten, das nicht mehr so zu spielen. Klar, kann man sagen, „Mach‘ dich locker“, aber dann bin ich da eben unlocker. Die Band hat das respektiert und das Lied nur noch ganz gespielt.
Weber: Das ist so ein Flaschengeist, den man aufmacht, und dann wird es zum Selbstläufer. Es liegt ja eh nicht in unserer Hand, was Dritte mit unseren Liedern machen. Ich möchte gar nicht wissen, auf wie vielen Veranstaltungen Lieder von uns verdreht werden. Aber ich muss ehrlich gestehen: Wir sind einmal im Jahr mit der Band auf der Wiesn, und wenn dann mal kein Lied von uns gespielt wird, sind wir auch stinkig!
Linhof: An sich ist es natürlich eine große Ehre, als Münchner auf der Wiesn gespielt zu werden! Weißt du noch, Flo, als das erste Mal „Ich roque“ gespielt worden ist?! Als der Peter gleich mit nacktem Oberkörper die Bühne gestürmt hat. Das war so ein krasser Auftritt! (lacht)
War die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 der Zeitpunkt, an dem Sie endgültig Popstars wurden?
Weber: Zu dem Zeitpunkt haben wir das ja schon einige Jahre professionell betrieben und hatten auch ein breiteres Publikum. Aber es war vielleicht der Punkt, an dem ich auch von meinem Vater die Absolution bekommen habe und wir uns bei den Eltern und Großeltern unserer Fans ins Bewusstsein gebrannt haben.
Linhof: Davor war es eher so ein Indie-Ding, weil es nicht in der ganz breiten Öffentlichkeit stattgefunden hat. 2006 war dann echt ein surrealer Film. Plötzlich hatten wir Titelseiten in den überregionalen Zeitungen, ich bin nur noch staunend durch die Welt gelaufen, ständig wurde irgendwo „‘54“ gespielt, im Stadion sangen Tausende das Lied, plötzlich schüttelt dir der Bundespräsident die Hand, und lauter so krasse Momente sind nur so an mir vorbei geflogen.