Welches ist Ihr denkwürdigstes Erlebnis mit Paul McCartney?
Rein zufällig machten wir einmal auf derselben Insel Urlaub. Eines Abends ging ich mit ein paar Freunden essen. Plötzlich kam jemand an unseren Tisch. „Du bist doch Fran Healy. Bekomme ich ein Autogramm?“ Ich drehte mich um, und es war Paul. Ich war von den Socken. Paul ist immer zu einem Scherz aufgelegt. Die Zeit, die wir in diesem Urlaub zusammen verbracht haben, fand ich viel aufregender als mit ihm ins Studio zu gehen. Paul ist ein großer Geschichtenerzähler, sehr sympathisch.
Was hat er Ihnen erzählt?
Haben Sie zufällig Keith Richards’ Autobiografie gelesen? Darin schreibt er über eine Begegnung mit Paul. An dem Abend, an dem Paul mich ansprach, sagte er noch zu mir: „Fran, du errätst nie, wo ich heute war.“ Er hatte herausgefunden, dass Keith Richards in der Nähe ein Haus besaß. Irgendwann hatte Paul es gefunden und klingelte an Keith’ Haustür.
Was passierte dann?
Die Haushälterin öffnete. Nach einer Weile kam tatsächlich Keith Richards angerauscht. Paul war aufgeregt wie ein Kind. Das Verrückte ist, dass ich Teil dieser historischen Begegnung war, ich war ja zur selben Zeit auf der Insel. Abends erzählte Paul mir diese Geschichte. Keith war für ihn immer der Coolste von allen. Für einen Musiker gibt es mehr im Leben als im Studio zu stehen und den nächsten Song anzuzählen. Seit ich Paul getroffen habe, esse ich keine Kühe mehr, erst recht keine Pferde. Ich habe mich dafür bei ihm bedankt.
Wird es je eine Fortsetzung Ihrer Zusammenarbeit geben?
So was kann man nicht planen. Ich werde demnächst Pauls Musikschule in Liverpool besuchen, um eine Vorlesung zu halten. Ich mag es, unseren Beruf zu entmystifizieren. Paul und ich haben gemein, dass wir ganz normal geblieben sind. Wir tun bloß unnormale Dinge. Pauls Normalität ist entwaffnend. Er macht nicht auf Superstar. Ich glaube, für junge Menschen ist es sehr hilfreich, das zu sehen.
Ist Normalität die Ausnahme in Ihrem Beruf?
Ja. Das Musikgeschäft ist eine magische Welt. Überall Blitzlichter. Viele Stars missbrauchen ihren Status. Sie haben alle Manieren verloren, sagen weder danke noch bitte. Wenn ihnen jemand die Tür aufhält, marschieren sie durch, ohne was zu sagen.
Was hält Sie am Boden?
Begegnungen mit Kollegen wie Paul McCartney. Und die Erkenntnis, dass viele meiner Helden in Wahrheit Arschlöcher sind. Manche halten sich tatsächlich für bessere Menschen. Das ist natürlich eine Illusion. Ich nenne keine Namen, aber ich verehre diese Personen heute nicht mehr.
Die Musikbranche ist wahrscheinlich das beste Beispiel, wie der Erfolg Menschen zu Kopf steigen kann.
Sicher, manche kommen mit dem Erfolg partout nicht klar. Aber die würden auch ohne Erfolg Probleme haben. Erfolg wirkt wie ein Vergrößerungsglas, wenn du gewisse Probleme hast. Ich glaube, Sitte und Anstand sind das Fundament unserer Zivilisation. Erfolg ist keine Ausrede für mangelhafte Manieren. Wenn mich jemand auf der Straße höflich um ein Autogramm bittet, dann habe ich gefälligst die Pflicht, dem nachzukommen.
Gibt es Situationen, wo es Ihnen zu viel wird?
Ja, wenn ich mit meiner Familie im Restaurant sitze. Dann bitte ich die Fans, später noch mal wiederzukommen. Oder wenn ich gerade pinkle. Dann sage ich freundlich: „Du bekommst dein Autogramm, sobald ich hiermit fertig bin!“ In der Mitte meines Lebens stelle ich fest: Es gibt viele großartige Menschen, aber auch viele Arschlöcher. Das gilt für Glasgow wie auch für Berlin oder New York. Man muss einfach versuchen, ihnen aus dem Weg zu gehen.