Frank Kämmer bildet in Asien Sommeliers aus. Mit dem Reich der Mitte sei in Sachen Wein künftig zu rechnen, sagt der Waiblinger im Interview und spricht über Gier, chinesischen Eiswein und einen Bordeaux-Themenpark.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)
Stuttgart - - Der Waiblinger Frank Kämmer ist einer von nur drei deutschen Master-Sommeliers. Vor kurzem hat der 45-Jährige in China vier Wochen lang Weinexperten geschult. Im Interview spricht er über Gier, chinesischen Eiswein und einen Bordeaux-Themenpark.
Herr Kämmer, Sie gelten als einer der wichtigsten Weinexperten Deutschlands. Haben Sie neuerdings ein Faible für Reiswein?
Nein, wieso?
Weil Sie in China Sommeliers ausbilden.
Sie müssen von Ihrem hohen, eurozentrischen Ross herunterkommen. Es gibt eine große Lücke zwischen der hiesigen Erwartungshaltung und der Realität in China. Viele denken scheinbar immer noch, im Reich der Mitte gebe es nur Myriaden von kleinen Menschen, die Plastikspielzeug herstellen. Dabei überholt uns China längst links und rechts – auch im Bereich Wein. 2014 wird China der sechstgrößte Weinproduzent der Welt sein.
Wie konnte es so weit kommen?
Das hat zur Jahrtausendwende ganz schleichend begonnen und ist in den vergangenen zehn Jahren explodiert. Zum Beispiel Hongkong. Dort hat die Regierung vor ein paar Jahren die Zölle auf Wein abgeschafft, um sich als Handelsplatz für China zu positionieren. Heute ist Hongkong der weltweit wichtigste Versteigerungsmarkt für feine Weine – vor London.
Weil die Parteikader auf teure Weine stehen und sich diese gerne schenken lassen?
Ein großer Teil der sehr teuren Weine wurde tatsächlich vor allem von Parteikadern getrunken. Um die weit verbreitete Korruption einzudämmen, gibt es aber ein neues Gesetz, nach dem Beamte für die Bewirtung kaum mehr Geld ausgeben dürfen. Deshalb hat sich der chinesische Markt etwas beruhigt. Jetzt wird aber der Mittelstand immer interessanter.
Inwiefern?
Ich vergleiche die jetzige Situation in China gerne mit Deutschland in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Wohlstand ist plötzlich da. Es herrscht ein extremer Nachholbedarf, die Chinesen sind gierig nach Louis Vuitton und Lafite-Rothschild.