Ein Grexit allein würde das Problem Griechenlands nicht lösen. Damit würden keine funktionierenden Strukturen geschaffen. Die Wettbewerbsfähigkeit hat doch mit der Frage der Währungsrelation nur wenig zu tun. Ein einfaches Beispiel: Wenn die Griechen nur in der Lage wären, Schwarz-Weiß-Fernseher herzustellen und keine Farbfernseher, dann können Sie die Drachme einführen und die Preise senken bis auf Null, es würde nichts bringen. Kein Mensch will Schwarz-Weiß-Fernseher. Griechenland braucht eine wettbewerbsfähige Struktur, nicht die Drachme.
War Schäubles Grexit-Drohung klug?
Für die Verhandlungen mit Sicherheit, für die öffentliche Wirkung nicht. Er hat dem griechischen Ministerpräsidenten damit klar machen können, dass eine brillante Rhetorik ökonomische Grunddaten nicht entkräftet und dass auch andere Euro-Länder am Ende auf die Akzeptanz ihrer Bürger achten müssen.
Die Verhandlungen haben alte Feindbilder verstärkt. Zerfällt Europa?
An den Feindbildern hat die amtierende griechische Regierung mit unakzeptablen Terrorismusvorwürfen das ihre beigetragen. Aber es stimmt schon: Europa treibt auseinander. Sowohl die Linkspopulisten im Süden werden gestärkt als auch die Rechtspopulisten im Norden. Wenn es nicht gelingt, bald wieder eine gesamteuropäische Idee zu entwickeln, dann schwant mir Böses. Das ist die Aufgabe, vor der Union und SPD jetzt stehen. Intern hat Schäuble sein Kurs aber keineswegs geschadet. Ohne ihn würde Frau Merkel in der Unionsfraktion wohl keine Mehrheit für neue Griechenlandhilfen bekommen. Die Kanzlerin muss aufpassen, dass er nicht dauerhaft beliebter ist als sie.
Rächt sich jetzt, dass der Währungsunion keine politische Union folgte?
So ist es. Es rächt sich, dass das europäische Parlament in seinen Kompetenzen nach wie vor beschnitten ist. Es rächt sich auch, dass wir in Europa mit dem Rat und der Kommission Institutionen haben, die nicht ausreichend demokratisch legitimiert sind.
Die Eurozone schwächelt, die euroskeptische AfD auch, ist das für die FDP verlockend?
Der Euro schwächelt nur politisch, im Außenwert ist er relativ stabil. Das ist ein Signal dafür, dass es um uns herum noch immer großes Vertrauen in die Stärke der Euro-Zone gibt. Die AfD hingegen schwächelt nicht nur, sie kollabiert, weil die AfD und ihre künftigen Ableger, wie immer die heißen mögen, Heimat politischer Egomanen sind. Die Menschen erwarten aber auf Dauer nicht immer nur populistische Aussagen darüber, wogegen man ist. Sie wollen wissen, wie Krisen vernünftigerweise gelöst werden können. Ich glaube deshalb, dass die Bereitschaft der Wähler, alle zwei Jahre Neugründungen von Egomanen zu ertragen, erheblich abgenommen hat.
Sie breiten also den Lucke-Anhängern in der AfD, die nach dessen Rückzug nicht mehr mitmachen wollen, nicht die Arme aus?
Im Gegenteil. Herr Lucke hat selbst erklärt, er sei kein Liberaler. Wie sollten wir mit homophoben europafeindlichen Antiamerikanern gemeinsame Sache machen? Die sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst.