„Warum sollte es Aufgabe des Staates sein, den Absatz von Elektroautos zu fördern?“, fragt der Wirtschaftsforscher Achim Wambach. Der neue Präsident des Zentrums für Wirtschaftsforschung sieht die Kaufprämie für E-Autos kritisch und spricht über den Wettbewerb in der digitalen Welt.

Stuttgart – Warum sollte es Aufgabe des Staates sein, den Absatz von Elektroautos zu fördern?“, fragt der Wirtschaftsforscher Achim Wambach im StZ-Interview. Der neue Präsident des Zentrums für Wirtschaftsforschung sieht die Kaufprämie für E-Autos kritisch. -
Herr Professor Wambach, können Sie Niederlagen gut wegstecken?
Eine Niederlage ist immer ärgerlich, warum fragen Sie?
Wirtschaftsminister Gabriel hat sich über die Empfehlung der Monopolkommission hinweggesetzt, die Fusion von Tengelmann und Edeka zu verbieten. Wie ist es, wenn der Sachverstand so ignoriert wird?
Als Wissenschaftler ist man darüber nicht glücklich. Aber das ist das Procedere: Die Monopolkommission empfiehlt, der Minister entscheidet und trägt die politische Verantwortung.
Sie sitzen auch im wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums. Hätten Sie der Koalition empfohlen, eine Kaufprämie für Elektroautos zu beschließen?
Nein. Die Kaufprämie ist kritisch zu sehen. Warum sollte es Aufgabe des Staates sein, den Absatz von Elektroautos zu fördern, wenn diese nicht nachgefragt werden? Die finanziellen Mittel hätten besser in die Entwicklung alternativer Antriebstechnologien oder in die nächste Generation der Batterietechnik investiert werden können. Andererseits hat die Bundesregierung das Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen. Ohne Prämie wird das nicht annähernd zu schaffen sein.
Hätte der Staat nicht besser in Infrastruktur und Ladestationen investieren sollen?
Es ist eine der Aufgaben des Staates, eine flächendeckende Infrastruktur bereitzustellen. Allerdings haben wir es hier mit dem Henne-Ei-Problem zu tun: Werden Elektroautos nicht gekauft, weil die Infrastruktur fehlt, oder fehlt die Infrastruktur, weil kein Bedarf da ist? Der Regierung ist die Notwendigkeit einer ausreichenden Infrastruktur aber bewusst und sie hat diesen Punkt auch auf die Agenda gesetzt.
Müssen im digitalen Zeitalter andere Wettbewerbsregeln gelten als bisher?
Das ist eine spannende Frage. In der digitalen Welt werden Produkte sehr viel schneller entwickelt und auf den Markt gebracht. Neue Wettbewerber treten innerhalb weniger Monate in den Markt ein, was früher deutlich länger dauern konnte. Zudem dominiert in der Netzökonomie häufig ein Anbieter den Markt. Das ist eine Herausforderung für die Wettbewerbspolitik. Ein weiterer Aspekt ist, dass Daten immer mehr zu einem Wettbewerbsfaktor werden. Dies wird von den Wettbewerbsbehörden ebenfalls zu berücksichtigen sein.
In der digitalen Welt ist der Konkurrent oft nur einen Click entfernt, auch wenn er physisch in einem anderen Land oder Kontinent sitzt.
Auch wenn der Wettbewerber nur einen Click entfernt sitzt, bedeutet das nicht, dass der Markt gut funktioniert. Ein Beispiel: Wenn ich neben Facebook noch andere soziale Netzwerke nutzen möchte, meine Freunde aber nur bei Facebook sind, habe ich keinen Vorteil durch die Nutzung der anderen Netzwerke. Diese Netzwerkeffekte können dafür sorgen, dass sich nur wenige oder sogar nur ein Wettbewerber am Markt behauptet.
Auch ein kleines Start-Up kann einen großen Einfluss auf eine Branche haben, obwohl es keinen großen Umsatz hat. Haben wir noch die richtigen Instrumente dafür, den Wettbewerb zu kontrollieren?
Unsere Beurteilung von Marktmacht basiert häufig auf dem Umsatz. Das reicht bei Internetfirmen nicht aus, die in den ersten Jahren viele Angebote auch umsonst anbieten, um schnell Kunden zu gewinnen und eine gewisse Größe zu erreichen. Wir sind dabei, neue Kriterien zu entwickeln. Das könnte beispielsweise der Preis eines Unternehmens sein, der bei einem Verkauf erzielt werden kann. Wenn für ein junges Unternehmen ein sehr hoher Preis gezahlt wird, muss dessen Produkt aus Sicht der Marktteilnehmer sehr vielversprechend sein.
Kann ein nationales Kartellamt in der Internetwelt überhaupt etwas ausrichten? Bräuchten wir ein Weltkartellamt?
Das würde ich nicht so sehen. Das Bundeskartellamt hat jetzt ein Verfahren gegen Facebook eröffnet, die EU-Kommission geht gegen Google vor. Da tut sich etwas. Mit einer einzigen Behörde weltweit würden wir der Vielzahl der Themen nicht gerecht werden. Die USA beispielsweise haben andere Probleme als Europa, etwa im Mobilfunk, der bei uns noch sehr national geprägt ist, während er in den USA einen großen, zusammenhängenden Wirtschaftsraum vorfindet.
Sie haben kürzlich im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung gesagt, wir müssen europäisch denken. Wie groß ist Ihre Sorge, dass Europa in einzelnen Ländern nicht hoch im Kurs steht?
Europa ist eine Erfolgsgeschichte. Viele Errungenschaften wie die offenen Grenzen und eine Währung in vielen Ländern werden heute als selbstverständlich angesehen. Auch die europäische Wettbewerbsbehörde, mit ihren Wettbewerbsverfahren und mit der Kontrolle staatlicher Beihilfen trägt wesentlich zur Entwicklung eines europäischen Wirtschaftsraums bei. Trotzdem sind die Sorgen um den Zusammenhalt Europas berechtigt. Ein Austritt Großbritanniens wäre ein großer Schritt zurück. Europa findet mittelfristig nur Gehör, wenn es auf der Weltbühne mit einer Stimme spricht.
Woran denken Sie?
Nehmen Sie das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Wir benötigen das Abkommen auch, um international Standards festzusetzen. Gerade für Deutschland als Exportnation ist das enorm wichtig. Ich hoffe sehr, dass die TTIP-Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden können.
Die Autoindustrie ist das Zugpferd der deutschen Wirtschaft. Könnte der Diesel-Abgasskandal die deutsche Wirtschaft schwächen?
Der Skandal hat negativen Einfluss auf die Wirtschaft und bedeutet für die Autoindustrie einen großen Rückschlag, nachdem der Dieselmotor in den USA zuletzt etwas Boden gut gemacht hat. Es ist aber noch zu früh, um zu beurteilen, wie groß der Schaden insgesamt sein wird.
Sie sind seit einigen Wochen Chef beim ZEW. Fühlen Sie sich wohl?
Ich bin begeistert. Das ZEW ist ein exzellentes Forschungsinstitut. Die Kollegen sind sehr motiviert. Das Haus ist gut aufgestellt. Wir beschäftigen uns hier mit spannenden Fragen wie der Bedeutung der Digitalisierung für die Unternehmen und die Wirtschaft. Darüber hinaus forschen wir etwa zur Energiewende und zur Finanzstabilität.
Wo möchten Sie Akzente setzen?
Ich werde eine neue Abteilung gründen, die sich mit Marktdesign befasst. Das klingt sperrig, ist aber hochaktuell. Es geht im Kern um Regeln für spezifische Märkte, wie etwa den Markt für erneuerbare Energien oder die Versteigerung von Mobilfunk-Frequenzen.