Walter Richter war mehr als 33 Jahre Sozialarbeiter bei der Mobilen Jugendarbeit in Feuerbach. Im Gespräch blickt er auch zurück auf die Ursprünge der Mobilen Jugendarbeit in Stuttgart und was sich bei der Jugend von heute im Vergleich zu den 1980er Jahren verändert hat.

Feuerbach - Walter Richter stammt aus der Kleinstadt Borken bei Kassel. Anfang der 1980er Jahre begann der Nordhesse nach dem Studium in Göttingen hier zu arbeiten: „Ich bin kein Weltverbesserer, sondern ein ganz normaler Sozialarbeiter, der engagiert war und seinen Beruf gemocht hat“, sagt er im Gespräch mit der Nord-Rundschau.

 
Herr Richter, sie waren mehr als drei Jahrzehnte Jugendsozialarbeiter in Feuerbach. Gab es Höhen und Tiefen?
Exakt 33,5 Jahre habe ich bei der Mobilen Jugendarbeit Feuerbach gearbeitet. Es war eine richtig gute Zeit für mich. Ich bin sehr zufrieden, dass mir die Caritas als Arbeitgeber und Träger der Mobilen Jugendarbeit in Feuerbach, gemeinsam mit der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde, die Gesellschafter sind, über all die Jahre die Chance gegeben haben, mit so vielen Jugendlichen zu arbeiten.
Ist das nicht ein Knochenjob, der einem im Laufe der Jahrzehnte die Kraft raubt?
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich nach so vielen Jahren Sozialarbeit am Stock gehe. Für mich war es ein Beruf, der mir unterm Strich viel Freude bereitet hat. Ich bin den Jugendlichen zu Dank verpflichtet.
Sind Ihnen die Jugendlichen nicht manchmal auf die Nerven gegangen?
Nein, ich habe im Laufe der Jahre sehr viele gute Erfahrungen gemacht.
Nennen Sie Beispiele.
Wir haben in den 80er und 90er Jahren viele Freizeiten im Ausland durchgeführt. Ich schätze, ich habe insgesamt bestimmt 50 oder 60 solcher Freizeiten mitgemacht. Einmal sind wir mit einer Jugendgruppe nach Saint-Tropez gefahren, waren am Meer und haben gezeltet. Wenn ich heute die Jugendlichen von damals treffe, dann erinnern sich viele noch mit Freude daran.
Und wer hat den Spaß bezahlt?
Wir bei der Mobilen Jugendarbeit vertreten den Standpunkt: Wir schenken nicht alles her. Die Jugendlichen müssen lernen, auch einen eigenen Anteil an Geld und Ressourcen zu bringen. Denn für die schönen Dinge im Leben kann man auch mal einen Ferienjob machen oder Taschengeld sparen. Natürlich gibt es auch Zuschüsse von der Einrichtung, sonst wäre es für viele Jugendliche einfach nicht zu finanzieren.
Was war der Ursprung der Mobilen Jugendarbeit in Stuttgart?
Die Mobilen Jugendarbeiten wurden ja in den 1970er Jahren gegründet, um soziale Benachteiligungen auszugleichen, aber auch um der Kriminalitätsentwicklung in bestimmten Stadtteilen und Quartieren entgegenzuwirken. Es gab damals auch Jugendkriminalität in Feuerbach. Teilweise wurden Konflikte, die über den Stadtteil hinausgingen, handgreiflich ausgetragen.
Haben Sie das selbst noch erlebt?
Ja, Cliquen aus Feuerbach und dem Hallschlag haben sich getroffen und geprügelt. Anlässe für Schlägereien waren schnell gefunden. Beleidigt ist man leider schnell, es geht und ging um Mädchen, um schiefe Blicke und Gefühle von Stärke und Dominanz.
Es wurden also pädagogische Löscharbeiter für soziale Brandherde gesucht?
So würde ich es nicht beschreiben: Man hat damals festgestellt, dass man diese Cliquen mit der normalen pädagogischen Arbeit nicht mehr erreicht. Also hat man sich auf Stadtebene überlegt, wie kommen wir wieder an diejenigen Jugendlichen heran, die wegdriften, die kriminell werden, die auf Drogen gehen und andere mitziehen.
Das klingt nach einer schwierigen Aufgabe?
Der damalige Ansatz war: Wir brauchen gut geschulte pädagogische Fachleute, die zu den Mitgliedern dieser Cliquen Kontakt aufbauen können, und die den Mut sowie die Bereitschaft haben, auf diese schwierige Klientel zuzugehen. Es geht heute wie damals auch darum, dass man das Vertrauen und den Respekt der Jugendlichen gewinnt. Und das ist mir, glaube ich, fast immer gut gelungen.
Sind die Mobilen heute eigentlich noch so mobil wie früher?
Ich bin bis zuletzt wöchentlich gezielt bestimmte Runden abgelaufen. Ich finde, ein mobiler Sozialarbeiter sollte im Stadtteil bekannt sein. Wir sind ein Team aus neun Personen, darunter befinden sich drei Stellen für die Mobile Jugendarbeit. Die Schulsozialarbeit und die Berufseinstiegsbegleitung sind quasi angedockt.
Seit einiger Zeit gehören auch Gymnasien und Grundschulen zum Aufgabenfeld der Jugendarbeiter in Feuerbach.
Genau, wir gehen in die hiesige Förderschule, die Werkrealschule, aber auch in die Bachschule und beide Gymnasien. Es gibt jugendspezifische Probleme, die sind völlig unabhängig vom Schultyp. Zudem arbeiten wir auch am Medienverhalten der Jugendlichen, organisieren Antisuchtwochen und helfen mit, das soziale Verhalten untereinander zu stärken.
Wie gestaltet sich die Arbeit mit Flüchtlingskindern?
Dieses Aufgabenfeld kommt verstärkt auf uns zu. Wir haben zwei Mädchengruppen, die nach der Schule öfters zu uns kommen. Es wird gemeinsam gekocht oder die Mädchen spielen etwas miteinander. Integration beginnt oft im Kleinen. Letztendlich geht es darum, dass auch die Flüchtlinge genauso wie die Migranten aus den Generationen davor, Teil dieser Gesellschaft werden. Und dazu braucht es Begegnung und Integration. Da sind die Schulen sehr wichtig, aber auch wir als Mobile Jugendarbeit sind gefragt.