Kultur: Adrienne Braun (adr)
Unser Steuersystem halten viele für höchst ungerecht.
Heiter: Ich finde es gerecht, dass die höheren Einkommensschichten, die das angenehmere Arbeiten haben, mehr abdrücken.
Cosar: Was ich aber in Deutschland nicht gerecht finde, ist, dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer. Mir hat noch niemand einen einleuchtenden Grund dafür genannt.
Heiter: Doch, ich kann dir den Grund sagen. Jeder, der eine Frau einstellt, kauft das Risiko mit ein, dass sie schwanger wird. Das hat jeder Arbeitgeber im Kopf. Ob es so ist oder nicht – sie gilt als risikobelastet.
Dann ist die ungleiche Bezahlung gerecht?
Heiter: Nein, natürlich nicht, weil sie die gleiche Arbeit leistet. Es kommt aber noch die Buddy-Buddy-Struktur dazu. Die fängt bei euch (zu Cosar:) schon an. Schau dir nur mal die Comedy-Mix-Abende an, wie viele Frauen sind da dabei?
Cosar: Bei der nächsten Veranstaltung, die ich mit einem Kumpel mache, ist eine Dame dabei – von vier Teilnehmern.
Heiter: Eben, das ist nur ein Viertel. Es gibt wahnsinnig viele Künstlerinnen, aber sie gehören nie in den Buddy-Kreis. Wenn du einen Job zu vergeben hast, denkst du nicht an eine Frau, sondern an deine Kumpels. Ich will mich gar nicht so richtig darüber beklagen. Wir Frauen schieben uns die Bälle eben nicht so zu.
Cosar: Ich arbeite noch in einem Fitness-Studio, und da sind fast alle Bereiche weiblich – auch in der Chefetage. Die Frauen machen ihren Job fabelhaft und haben auch Kinder. Warum verdienen sie weniger? Dann kann ich auch sagen: Özcan ist ein Türke. Die Wahrscheinlichkeit, dass Türken kriminell werden, liegt bei so und so viel Prozent, also kann ich ihm schon mal eine Zelle frei halten.
Heiter: Aber die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau schwanger wird, ist höher, als dass du kriminell wirst.
Herr Cosar:, haben Sie das Gefühl, in Deutschland als Türke schlechter behandelt zu werden?
Cosar: Das ist das Schöne an Deutschland – was ich alles ermöglicht bekommen habe. Ich konnte auf die Schule gehen, umsonst, wir haben Jugendhäuser gehabt, Sozialarbeiter haben sich um uns gekümmert, wir haben Breakdance gelernt. Es ist uns so viel gegeben worden. Wir leben in so einem gerechten Land. Ich finde es schön, hier leben zu dürfen.
Nur der Kulturbetrieb selbst ist durch und durch ungerecht. Keine Chancengleichheit, lauter subjektive Entscheidungen.
Heiter: Ja, man muss am richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein und die richtigen Leute kennenlernen. Viele andere, die vielleicht die gleiche Qualität zu bieten hätten, kommen da gar nicht hin.
Cosar: Die Frage ist doch: Gehe ich auf die Bühne, weil ich Geld verdienen möchte oder weil ich meine Kunst machen will? Wenn ich damit Geld verdiene, ist es cool. Aber auch wenn ich vor fünf Leuten spielen darf, ist es für mich genug. Die gehen lachend nach Hause, darum mache ich es – und denke nicht: „Die Leute haben drei Euro bezahlt, sind 15 Euro, Scheißtag.“
Wann fühlen Sie sich ungerecht behandelt?
Heiter: Ich habe so einen saumäßigen Dusel in meinem gesamten Dasein. Das muss man einfach mal sagen. Das ist alles ein riesengroßes Privileg. Es wäre ungerecht, sich über etwas zu beklagen.
Sie finden nichts ungerecht?
Heiter: Vielleicht, dass mein Buch immer noch nicht auf der Bestsellerliste steht . . .
Cosar: Wenn man immer den Müll runterbringen muss, dann kann man sagen: Das ist ungerecht. Oder aber „Ja, Schatz, mach ich“. Es liegt immer daran, wie man mit der Situation umgeht. Man muss entspannt sein, dann ist das Leben gerecht. Natürlich ist es ungerecht, dass Kinder am Hunger sterben. Aber wir würden uns hier auf höchstem Niveau beschweren. Wir haben hier schon ein sehr gerechtes Leben.