Der Wissenschaftler Johannes Heil kritisiert das Verhalten von Eintracht Frankfurts Präsident Peter Fischer. Im Interview spricht der Stuttgarter Professor über die AfD-Debatte im Fußball und den richtigen Umgang mit der Partei und deren Sympathisanten.

Stuttgart - Seit der Frankfurter Vereinspräsident Peter Fischer AfD-Mitglieder ausschließen will, wird auch im Fußball über den Umgang mit der Rechtspartei diskutiert. Der Wissenschaftler Johannes Heil hat dazu eine klare Meinung.

 
Herr Heil, warum tut sich der Fußball meist sehr schwer, wenn es politisch wird?
Warum kommentieren Sportreporter so selten Bundestagsdebatten? Weil das eine mit dem anderen zunächst einmal nichts zu tun hat – und zu tun haben soll. Sport tut sich auch mit Religion schwer oder mit Kunst. Und das ist gut so.
Haben die Verantwortlichen nicht die Pflicht, klar Stellung zu beziehen?
Keineswegs. Der Fußball kann überhaupt nur dann seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, wenn er sich mit dezidiert politischen Erklärungen und Forderungen zurückhält. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Sportmanagers, bestimmte Gesinnungen zu bekennen oder von Aktiven und Fans einzufordern. Wer das tut, macht den Sport kaputt, indem er ihm die wichtigste gesellschaftliche Funktion nimmt, die er heute überhaupt noch haben kann.
Worin besteht die?
Der Sport hat eine soziale und eine moralische Funktion: Denken Sie zum einen an die verbindende Rolle des Sports über alle sozialen, religiösen und politischen Grenzen hinweg – und denken Sie auf der anderen Seite an Werte, die heute fest mit dem Sport verbunden sind wie Teamgeist, Disziplin, Fairness: Diese Werte des Sports wirken dann mittelbar auch politisch. So soll es sein – und nur so kann es sein.
Der Eintracht-Präsident Peter Fischer hingegen will keine AfD-Mitglieder in seinem Verein. Was halten Sie davon?
Ich halte das für völlig falsch. Hier wird verurteilt, gespalten und ausgegrenzt. Sport, und insbesondere der Fußball, ist mit seinem Reglement das einzige Zeichensystem, das in aller Welt Gültigkeit besitzt. Es stellt sich auf diese Weise dar als fabelhaftes Mittel der Resozialisierung und der Integration, ganz besonders innerhalb eines Clubs. Fischer hingegen erklärt Menschen mit bestimmten Auffassungen zu Feinden.
Wozu führt das?
Werden die Leute ihre Meinungen ändern? Nein. Das Gegenteil ist der Fall, Konflikte werden erst erzeugt. Und zur Jetzt-erst-recht-Haltung kommen Solidarisierungseffekte auf Dritte. Die Folge wäre eine Radikalisierung und Stärkung genau der Gruppe, die man zu bekämpfen vorgibt.
Kann man Mitglieder überhaupt aufgrund ihrer politischen Gesinnung ausschließen?
Die derzeitigen Vereinssatzungen erlauben das sicher nirgendwo. Satzungen beziehen sich zu Recht überall nur auf Verhalten und niemals auf Gesinnungen. Aber wenn man mit bestimmten gesellschaftlichen Gruppen im Gespräch bleiben möchte, würde ich sie weder wegen falschen Verhaltens noch wegen fragwürdiger Gesinnung voreilig ausschließen. Ein Dialog braucht immer eine gemeinsame Basis – und genau die haben wir ja im Sportverein.
Welche Vorgehensweise empfehlen Sie beim Umgang mit politisch extremen Ansichten?
Zunächst sprechen wir hier über demokratische Parteien, die erlaubt sind und gewählt wurden. Mitglieder und Wähler dieser Parteien kommen im Verein zusammen und reden miteinander. Und das ist gut und richtig und die Chance des Sports. Es ist also zunächst einmal nicht „der Sport“ gefordert, sondern die Vereinsmitglieder. Versucht zu überzeugen! Klar ist aber: Wenn Äußerungen fallen, die strafwürdig sind, kann natürlich auch ein Mitglied ausgeschlossen werden.
Wie groß ist dieses Problem im Fußball?
Die Sache ist gerade andersherum: Wir haben da kein Problem im Fußball oder Sport – wir haben aber offenbar Probleme in der Gesellschaft: Die müssen angegangen werden. Und der Sport kann ein Instrument der Lösung sein, einen Ort der Diskussion bieten, die sonst nirgends so leicht und erfolgreich geführt werden kann wie unter Anhängern desselben Vereins.