Macht es keine Freude, ein Land zu beraten, das schulpolitisch derart im Umbruch steht, wie Baden-Württemberg?
Doch, wenn es fair wäre. Als ich gefragt wurde, habe ich gedacht, wir machen gemeinsam eine Umgebung, in der es mehr Bildungsgerechtigkeit gibt. Ich habe diese Oppositionspolitik total unterschätzt. Die kenne ich aus der Schweiz gar nicht. Ich weiß auch nicht, ob die jetzige Regierung mit dieser Polarisierung gerechnet hat. Ich dachte es geht um die Sache, nicht um Stimmenfang. Aber ich bin nach wie vor überzeugt, dass es mit der Gemeinschaftsschule gelingt, mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen.

Halten sie die Vorwürfe für parteipolitisch motiviert?
Ich kann es mir nicht anders vorstellen. Ich halte es für übertrieben, mich so mit den Gemeinschaftsschulen zu identifizieren. Ich habe weder eine geführt, noch eine eingerichtet. Ich habe ein pädagogisches Konzept, für das sich schon die Vorgängerregierung interessiert hat. Frau Schavan war schon bei uns im Lernhaus in Romanshorn. Dann kam die Idee auf, mehr Bildungsgerechtigkeit zu verwirklichen. Ich bin mit viel Hoffnung reingegangen und bin nach wie vor überzeugt, dass das eine gute Sache ist. Aber ich glaube, die Sache läuft ohne mich genau so gut – vielleicht sogar besser.

Sind Sie der Sündenbock dafür, dass es mit der Umsetzung der Gemeinschaftsschule nicht so vorangeht, wie Optimisten gedacht haben?
Das Gefühl habe ich nicht. Wenn ich mit den Leuten ins Gespräch komme, höre ich vorwiegend Anerkennung.

Vermissen Sie die Unterstützung der Politik und des Ministeriums?
Ich glaube, das würde eher so ausgelegt, als müsste sich das Ministerium rechtfertigen, dass ich geholt würde. Wenn ich Kultusminister wäre, würde ich auch nichts schreiben. Das habe ich nicht erwartet.

Sind Sie zufrieden mit der praktischen Umsetzung der Gemeinschaftsschulen?
Es gibt noch einige Schritte zu tun. Die 120 Lehrer, die wir zu Lernbegleitern fortgebildet haben, waren begeistert. Das hat Mut gemacht und eine Aufbruchstimmung erzeugt. Das Problem sind die finanziellen Mittel.

Wofür bräuchten Gemeinschaftsschulen mehr Geld?
Wenn der Raum der dritte Pädagoge ist, und Kinder unterstützt, müsste man in die Umgestaltung investieren. Ich fände es schade, wenn das Konzept am Geld scheitern würde.

Auf welchem Weg sehen Sie die Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg?
Die Regierung hat es sehr geschickt gemacht und Starterschulen eingerichtet. Es wäre sicher nicht gelungen, die Gemeinschaftsschule flächendeckend einzuführen. Jetzt wäre das beste die Erfahrungen abzuwarten. Es ist aber falsch, ein Konzept von einer Schule auf eine andere übertragen zu wollen.

Haben Sie und die Verfechter der Gemeinschaftsschule ein Vermittlungsproblem?
Wenn die Leute sich das ansehen würden, würden sie es begreifen. Ich sehe aber das Problem und bin jetzt dran, die Arbeitsergebnisse festzuhalten. Das Manuskript muss bis Ende November fertig sein. Die Gemeinschaftsschule ist eine innovative Idee und die Widerstände bei Innovationen sind besonders groß. Man muss überlegen, ob man gegen diese Innovationsängste etwas tun kann. Bei uns waren die Rückmeldungen der Eltern immer das beste Argument.

Was erhoffen Sie sich aus Ihrem Rückzug sich für die weitere Debatte um die Gemeinschaftsschule?
Ich hoffe die Auseinandersetzung wird sachlicher. Aber es hat auch mit Selbstschutz zu tun.

Befürchten Sie nicht, dass Ihre Kritiker Ihren Schritt als Distanzierung betrachten?
Ich distanziere mich überhaupt nicht von der Idee. Die trage ich nicht nur im Kopf, ich trage sie auch im Herzen weiter. Aber ich möchte sie auf konkrete, umsetzbare Art unterstützen. Ich fände es völlig falsch, wenn mein Schritt als Distanzierung interpretiert würde. Ich finde es großartig von dieser Regierung dass sie sich da auf den Weg gemacht hat. Mein Rückzug wird der Idee nicht schaden. Denn dann wäre sie viel zu stark auf mich personalisiert und das glaube ich nicht.