Das Internetprojekt Lobbyplag zeigt, dass Abgeordnete der Lobbyisten abschreiben. Richard Gutjahr erklärt im Interview, wie er auf das Projekt kam – und warum hinter Lobbyplag kein naives Politikerbild steckt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)
Stuttgart – Richard Gutjahr (38) ist der Initiator von Lobbyplag.eu. Das Netzprojekt dokumentiert Übereinstimmungen von Lobbypapieren und Änderungsvorschlägen zur EU-Datenschutzverordnung. Gutjahr fordert, dass Politiker solche Passagen von sich aus kennzeichnen sollen.
Herr Gutjahr, Lobbyplag zeigt, dass große Teile der aktuell diskutierten Datenschutzverordnung von Lobbyisten geschrieben wurden. Wie kam es zu dem Projekt?
Wir wollten dokumentieren und verstehen: Was passiert da? Den Ausschlag haben Lobby-Unterlagen gegeben, die ich von dem Transparenz-Aktivisten Max Schrems bekommen habe. Als ich beim schnellen Drüberschauen festgestellt habe, wie viele Übereinstimmungen man da findet, dachte ich mir: Vielleicht ist das nur die Spitze des Eisbergs. So viel Stoff kann man nur mit Computerunterstützung durcharbeiten. So kam es zur Kooperation mit dem Datenjournalisten-Team um Marco Maas.

Sie hatten nicht damit gerechnet, dass Lobbyisten an Gesetzen mitschreiben?
Mir war zunächst nicht klar, wie die Gesetzgebung in Brüssel läuft. Dass Lobbyisten Einfluss ausüben, ist allgemein bekannt. Überrascht hat mich, wie konkret sie das tun. Zumal eine einzige geänderte Silbe ein Gesetz ins Gegenteil verkehren kann. Wenn man das schwarz auf weiß sieht, ist das schon erstaunlich.

Steckt dahinter nicht ein eher naives Politikerbild? Kein Abgeordneter kann allein aus sich selbst heraus an Dutzenden Gesetzen mitwirken.
Klar kann man mich für unglaublich naiv halten. Aber vielleicht sind manche Politiker schon zu lange dabei, um zu verstehen, warum solche Praktiken Skepsis hervorrufen. Bei vielen Abgeordneten ist auch die Reaktion: „Das ist nicht verboten, das machen doch alle.“ Unabhängig davon, ob das Übernehmen von Gesetzestexten üblich ist oder nicht: Eigentlich erwartet man, dass es jemandem peinlich ist, wenn man ihm beim Abschreiben erwischt. Ob Doktorarbeit oder Lebensmittel, überall fordern wir mehr Transparenz. Nur beim Gesetzgebungsverfahren soll keine Kennzeichnungspflicht für fremde Inhalte gelten, wollen wir keine Fußnoten? Keiner erwartet von Politikern, dass sie auf all die guten Ideen selbst kommen. Aber dann sollten sie das auch entsprechend kennzeichnen.