Die Daten zu Krebserkrankungen von Kindern werden seit 1980 in einem bundesweiten Register gesammelt. Die Überlebenschancen sind in den letzten drei Jahrzehnten drastisch gestiegen, sagt dessen Leiter Peter Kaatsch.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Herr Kaatsch, warum gibt es anders als bei Erwachsenen für Krebserkrankungen bei Kindern seit über 30 Jahren ein Register, das bundesländerübergreifend Daten sammelt?
Weil Kinderkrebs selten auftritt, ist ein solches Register leichter zu realisieren. Es erkranken 1800 Kinder in Deutschland pro Jahr. Das sind zwar schlimme Einzelschicksale, aber statistisch sind das so wenig, dass man sie zentral erfassen kann. Kinderkrebs wird in spezialisierten Krankenhäusern behandelt, wir kennen die Ärzte dort alle persönlich. Es ist also auch eine kleine Gruppe von meldenden Ärzten.

Welche Daten werden Ihnen denn von den behandelnden Kliniken übermittelt?
Das bevölkerungsbezogene Krebsregister, das wir führen und das versucht, eine Population möglichst vollständig abzubilden, verzeichnet das Alter, das Geschlecht, den Wohnort, die Erkrankung selbst – sowohl bezüglich der Histologie als auch der Lokalisation – und das Stadium der Erkrankung. Das reicht eigentlich schon, um sagen zu können, ob Krebserkrankungen über die Zeit zu- oder abnehmen oder ob es regionale Unterschiede gibt. Das reicht, um alters- und geschlechtsspezifische und diagnosenspezifische Erkrankungsraten zu erstellen.

An welchen Krebsarten erkranken Kinder besonders häufig in Deutschland?
Ein Drittel sind Leukämien, ein Fünftel sind Hirntumoren und ein Achtel sind Lymphdrüsentumoren.

Gibt es ein Nord-Süd-Gefälle?
Nein. Es gibt weder ein Nord-Süd- noch ein Ost-West-Gefälle.

Gibt es krebsgefährliche Gegenden?
Es gibt in Deutschland nicht mehr kleinräumige Häufungen, als statistisch zu erwarten sind. Wir haben so viele Verdichtungen auf der Landkarte, wie statistisch zu erwarten sind. Aber es gibt natürlich immer Gegenden mit höheren und niedrigeren Erkrankungsraten.

Wie sieht es mit der Gegend um das Kernkraftwerk Krümmel aus?
Dort ist eine Leukämiehäufung für Kinder in der Tat festzustellen. Statistisch lässt sich das nicht herunterreden. Aber da diverse Expertenkommissionen mit Fachleuten aller Richtungen jahrelang gearbeitet und keine Ursache gefunden haben, gehe ich davon aus, dass nicht unbedingt die ionisierende Strahlung ursächlich dafür ist.

Sind bei Ihnen eigentlich alle gemeldeten Krebsfälle auf Wiedervorlage zur Weiterbeobachtung?
Wenn die Kinder als geheilt aus dem Krankenhaus entlassen sind, fragen wir alle fünf Jahre bei den Familien nach, wie es den Kindern geht. Und solange die Patienten noch zur Nachsorge in die Kinderklinik gehen, bekommen wir von dort mitgeteilt, wie es ihnen geht. Diese Auskünfte sind für Eltern und Kliniken freiwillig. Es gibt kein Gesetz, das speziell für das Kinderkrebsregister zuständig ist. Aber nur weniger als ein Prozent aller Eltern verweigern die Auskunft. In der Regel tun Eltern alles, um zur Erforschung von Krebserkrankungen beizutragen.

Wie sehen die Überlebenschancen für Kinder aus?
Die Prognose bei Kinderkrebs hat sich in den letzten 30 bis 40 Jahren erfreulicherweise ganz drastisch verbessert. Ende der 70er Jahre sind die meisten Kinder gestorben. Mittlerweile überleben drei Viertel der Kinder.