Vor kurzem sah es so aus, als stünde die Koreanische Halbinsel vor einem Krieg. Im Interview erklärt der Koreakenner Rüdiger Frank, warum der Konflikt zwischen Nord und Süd zwar aus den Schlagzeilen verschwunden, aber noch lange nicht vorbei ist.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)
Stuttgart – Kim Jong-un hat in Pjöngjang das Sagen, und das Volk steht hinter ihm, sagt der Ostasienexperte Rüdiger Frank. Trotz der provokativen Raketentests und Atomwaffendrohungen Nordkoreas sieht er Hoffnung für die Zukunft der Region.
Herr Frank, die große Aufregung in und über Nordkorea scheint vorbei zu sein. Herrscht dort nun Ruhe, oder trügt der Schein?
Ich glaube, es ist eine Scheinruhe, so wie es zuvor eine Scheinaufregung gewesen ist. Das Land befindet sich dauerhaft in einer konfliktbeladenen Situation. Der Konflikt ist konstant. Nur was wir davon zu sehen bekommen, variiert.

Worin liegt der Konflikt begründet?
Das Problem ist mehrdimensional. Da gibt es die koreanische Teilung. Um die zu beenden, ist schon einmal ein Krieg geführt worden. Es gib die Konkurrenzsituation zwischen dem Norden und dem Süden, die beide das ganze Land repräsentieren wollen. Und nicht zuletzt ist da das Verhältnis zu den USA, die starke Interessen in der Region haben.

Das klingt so, als ob sich in absehbarer Zeit nichts ändert?
Das ist eine realistische Annahme, es sei denn, Kim Jong-un oder die USA würden einen kompletten Richtungswechsel in ihrer Politik vollziehen.

Wäre den USA so etwas anzuraten?
Das kommt auf die Zielsetzung an. Eine direkte Einladung zum Gespräch von Barack Obama an Kim Jong-un ist zwar unrealistisch, wäre aber hilfreich, wenn es um die Lösung des Koreakonfliktes ginge. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob dies wirklich das Ziel ist. Der Status quo ist ja für manche Beteiligte durchaus nützlich.

Hat sich die nordkoreanische Politik geändert?
Eigentlich nicht, weil sich die grundlegenden Interessen nicht geändert haben. Das Interesse, die Unabhängigkeit zu bewahren, das Interesse der Führung, an der Macht zu bleiben, das Interesse, die großen Nachbarn gegeneinander auszuspielen, das Interesse, das Militär stark zu machen – all diese Dinge bleiben bestehen.

Wir müssen uns also daran gewöhnen, dass ein- bis zweimal im Jahr sehr martialische Töne aus Pjöngjang kommen?
Leider. Und so seltsam es klingt, aber die Tatsache, dass es in diesem Frühjahr glimpflich ausgegangen ist, stimmt mich hoffnungsvoll, dass wir lediglich eine Fortsetzung des Tanzes sehen, der ohnehin schon seit vielen Jahren getanzt wird. Wir konnten uns in diesem Jahr nicht wirklich sicher sein, wie die Geschichte ausgeht, weil alles zum ersten Mal unter einem neuen Führer stattfand. Nun sieht es so aus, als werde das bisherige Ritual weitgehend fortgesetzt – viel Lärm um letztlich recht wenig.