Wie zufrieden sind Sie mit den Teilnehmerzahlen bei den Montagsdemos?
Bongartz Einen Einbruch bei den Teilnehmerzahlen sehe ich nicht. Tatsächlich hatten wir bis vor einem knappen halben Jahr einen leicht zurückgehenden Zulauf. Aber zurzeit sind die Zahlen stabil, und manchmal sind wir selbst erstaunt darüber, wie viele Menschen sich immer noch regelmäßig dort einfinden. Ich glaube, dass wir die Talsohle inzwischen durchschritten haben. Das haben wir auch der Bahn zu verdanken, die weiterhin jede Redlichkeit und Verlässlichkeit vermissen lässt. Und Auftritte wie die von Peter Conradi oder dem früheren Prälaten Martin Klumpp zeigen, dass wir immer wieder von namhaften Menschen unterstützt werden.
Sie sprechen den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Conradi an, der sich bei seinem Auftritt auf der Montagsdemo gegen das allgemeine Politiker-Bashing gewandt hat. Ist das auch Ihre Meinung?
Bongartz Das entspricht durchaus auch unserer Zielsetzung. Wir wollen aber auch Repräsentanten derjenigen Menschen sein, die frustriert und fassungslos sind, weil sie zusehen müssen, wie die Bahn Fakten schafft und die Politik nicht reagiert.
Sie verfolgen weiterhin das Ziel, das Bahnprojekt zu stoppen. Bisher sind Klagen gegen Stuttgart 21 aber auf allen juristischen Ebenen gescheitert. Wie realistisch schätzen Sie die Erfolgsaussichten weiterer Klagen ein?
Loeper Das sehe ich anders. Immerhin hat das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren um das zweite Bürgerbegehren, bei dem es um die Frage der Mischfinanzierung ging, unseren Anträgen zwar nicht recht gegeben, aber eine Berufung gegen das Urteil beim Verwaltungsgerichtshof zugelassen. Dieses Verfahren läuft noch. Zudem gibt es keine rechtskräftige Gesamtgenehmigung des Projekts, sondern nur verschiedene Teilgenehmigungen.
Es gibt aber auch kein rechtskräftiges Urteil, das den Bau von S 21 untersagt. Glauben Sie trotzdem, das Projekt stoppen zu können?
Bongartz Ja, wir glauben, dass wir dazu beitragen können. Den entscheidenden Rechtsfragen haben sich die Gerichte ja noch gar nicht gestellt.
Loeper Der herausragende Hebel ist, dass die Geschäftsgrundlage für das Projekt entfallen ist, für das Bahn, Land, Stadt und Region einen Vertrag abgeschlossen haben. Dies thematisieren wir mit dem Bürgerbegehren Storno 21. Die Bahn hat im Dezember 2012 selbst Kostensteigerungen von mindestens 2,3 Milliarden Euro anerkannt, von denen sie schon viel früher gewusst, aber die Projektpartner und die Öffentlichkeit nicht informiert hat. Durch diesen Vertrauensbruch ist die Geschäftsgrundlage und damit die Vertragsbasis weggefallen. Die Bahn will das Geld von den Projektpartnern, die wollen nicht zahlen. Deshalb ist der Weiterbau eine Reise ins Niemandsland, weil niemand weiß, wer die Mehrkosten tragen wird. Für mich ergibt sich aus den eingestandenen Kostensteigerungen direkt ein Kündigungsrecht der Stadt . . .
. . . aber die Projektpartner Stadt, Land und Region wollen gar nicht kündigen . . .
Loeper Genau deshalb machen wir das Bürgerbegehren. Wir sind auf einer, auch in Bezug auf den Volksentscheid, neuen finanziellen Grundlage angekommen. Dann lasst uns doch entscheiden: Weiterbau oder Ausstieg – dann hätte das Projekt eine Legitimation oder die Stadt steigt aus und die Bahn müsste entscheiden, ob sie für das jetzt schon unwirtschaftliche Projekt alle weiteren Mehrkosten auch noch trägt.
Bongartz Und wenn der Dominostein Stadt fällt, dann hat auch die Landesregierung ein großes Problem.
Voraussetzung wäre ein Bürgerentscheid, der vom Gemeinderat aber abgelehnt wird.
Loeper Das erwarten wir auch, und dann gehen wir vors Verwaltungsgericht, um die Zulassung durchzusetzen. Das Gericht muss dann nur entscheiden, ob die Stadt wegen weggebrochener Finanzierung und Vertrauensbruch der Bahn kündigen darf.
Bongartz Das Gericht muss nicht politisch entscheiden, sondern nur auf Grundlage von Fakten, die die Bahn ja selber zugegeben hat. Da gibt es weniger Interpretationsspielräume.