In Wuppertal geben junge Islamisten die Sittenwächter. Sie gehen mit orangenen Warnwesten auf die Straße, um Muslime von Glückspiel und Drogen abzuhalten. Das sorgt in ganz Deutschland für Aufregung. Politiker wollen diese „Scharia-Polizei“ nun verbieten.

Wuppertal - Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Schon die ersten Berichte über die Wuppertaler Scharia-Polizei lösten bei dem Düsseldorfer Innenminister Ralf Jäger Kopfschütteln aus. Als er dann auch noch davon hörte, dass die Wuppertaler Staatsanwaltschaft zunächst wenig Möglichkeiten sah, gegen die selbst ernannten Sittenwächter vorzugehen, wies er seine Beamten unverzüglich an, den Polizisten vor Ort eine sichere Rechtsgrundlage zu schaffen, um solches Treiben zu verbieten. Wenige Stunden später schickte der Innenminister einen Erlass an alle Polizeidienststellen im größten Bundesland, er selbst verteidigt sein rasches Vorgehen. „Ich habe das Tragen solcher Westen in Nordrhein-Westfalen untersagt, das kann ich nicht dulden“, erklärte Jäger.

 

Auch die große Koalition in Berlin will hart gegen die selbst ernannte „Scharia-Polizei“ in Deutschland vorgehen. Justizminister Heiko Maas (SPD) sprach von einem „Anschlag auf unser freies Lebensmodell“. Es müsse geprüft werden, ob strafrechtlich dagegen vorgegangen werden könne, sagte er. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verurteilte die Patrouillen radikaler Islamisten in Wuppertal. Unions-Fraktionschef Volker Kauder forderte ein Verbot der vermeintlichen islamischen Tugendwächter.

Der Innenminister reagiert

Der Düsseldorfer Innenminister Jäger verhehlt nicht, dass ihm die erste Reaktion der Anklagebehörde erstaunlich lasch vorgekommen ist. In der Tat hatten die Wuppertaler Staatsanwälte zunächst keine Straftat gesehen, als ihnen der Fall der drei jungen Salafisten vorgelegt wurde, die mit ihren orangefarbenen Westen als sogenannte Scharia-Polizei aufgetreten waren. Salafisten legen die Scharia – das islamische Recht – extrem konservativ aus. Wuppertal gilt als eine Art Hochburg der salafistischen Szene.

Die radikalen Islamisten waren durch die Stadt gezogen und hatten versucht, andere Muslime davon zu überzeugen, ihrer radikalen Interpretation des Korans zu folgen. „Lass die Finger vom Glücksspiel, lass die Finger von Drogen, lass die Finger vom falschen Weg“, hatten sie anderen jungen Männern zugerufen und das Vorgehen auch noch für ihre Internetseite gefilmt.

Keine weiteren Maßnahmen

Die Polizei in Wuppertal hatte zunächst die Personalien der jungen Männer festgestellt und dann nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft keine weiteren Maßnahmen eingeleitet. „Das bloße Empfehlen religiöser Regeln ist nicht strafbar“, begründete der Wuppertaler Staatsanwalt Wolf Tilmann Baumert. Die Juristen im Düsseldorfer Innenministerium haben Ralf Jäger eine andere Bewertung auf den Tisch gelegt, er ist ihr gefolgt. „Das ist Amtsanmaßung und gefährdet die öffentliche Ordnung“, begründet Jäger, „wir lassen eine Paralleljustiz nicht zu.“

Immerhin hat er damit in einem ersten Schritt die Rechtsunsicherheit beseitigt. „Wir können und werden solche Westen beschlagnahmen“, sagt Jäger. Natürlich kann es passieren, dass jemand dagegen klagt und ein Richter eine andere Rechtsauffassung hat, aber das scheinen die Initiatoren des Wuppertaler Falles im Moment nicht austesten zu wollen.

Hinter den Wuppertaler Islamisten steckt unter anderem der Konvertit Sven Lau, der in Mönchengladbach eine Moschee führt und Vorsitzender des Vereins „Einladung zum Paradies“ ist. Die Verfassungsschützer beobachten ihn seit längerer Zeit, haben allerdings festgestellt, dass er nach außen moderater auftritt, als andere Prediger. Er selbst bezeichnet die Aktion inzwischen als Werbegag. „Das ist ihm leider gelungen“, urteilt Ralf Jäger über die bundesweite Aufmerksamkeit.