Schön, dass sich mit Diskurspop der Keller Klub füllen lässt. Doch der Abend mit der aktuell vielbeachteten Band Ja, Panik hätte besser werden können. Was nur zum geringeren Teil an den Musikern liegt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Es sind Diskurspoptage in Stuttgart. Am Donnerstag die Release-Party der bundesweit gefeierten Stuttgarter Band Die Nerven, und am Freitag Ja, Panik im Keller Klub. Letztere tauchen anlässlich ihres neuen Albums „Libertatia“ gefühlt auf sämtlichen Covern der deutschen Musikpresse auf. Sind also auch wichtig. Beide Konzerte waren ausverkauft, beide musikalisch tipptopp – und doch, das lässt sich nach dem Konzert vom Freitag sagen, haben Die Nerven den besseren Abend hingelegt.

 

Das liegt zum geringeren Teil an Ja, Panik selbst. Der Hinweis ist wichtig, weil die Band aus Berlin, die da am Freitag auf der Keller-Klub-Bühne stand, eine andere ist als die, die sich 2005 irgendwo im Burgenland formiert hat. Konkret: Zwei von fünf Bandmitgliedern sind seit dem letzten Album ausgestiegen. Entsprechend ist auch der Sound ist ein anderer: New Wave und 80er, also swingende, leichte Musik statt am Boden klebender Misanthropie im schnodderigen Alternative-Pop-Gewand; Songs, die auch am Computer geschrieben wurden statt lärmenden Gitarrenwänden im Festsaal Kreuzberg, wie der „Tagesspiegel“ sehr schön berichtet.

Auf Platte denkt man da unweigerlich an, ja schon, Falco. Auch, weil Frontmann Andreas Spechtl sich auch nach mehreren Jahren in Berlin den österreichischen Zungenschlag nicht gänzlich abtrainieren konnte. Vor allem aber, weil der leicht fertig dahingehauchten, zwischen Deutsch und Englisch frei changierenden Songtexte eine Erfindung dieses Megastars des Austropop sind.

Ein utopischer Ort auf Madagaskar

Jetzt sind Ja, Panik musikideologisch natürlich in einer ganz anderen Ecke zu vermuten als Falco: viel mehr Zeitgeist, Systemkritik. Eben Diskurspop; daran soll auch der Wechsel beim Sound nichts geändert haben, beteuert die Band. Derzeit propagieren Ja, Panik mit „Libertatia“ einen utopischen Ort. Die Legende zum Album geht so, dass in der Piratenkolonie Libertatia auf Madagaskar damals, im 17. Jahrhundert, alles viel besser war als in der übrigen, üblen Welt. So einen Ort, das impliziert das Ganze, müsste es heute auch mal geben.

Botschaft angekommen. Wie aber macht sich das live? Leider nicht ganz so gut, wie man es sich erwartet hat. Was vielleicht auch daran liegt, dass die Erwartungen ziemlich groß sind. Ein Ausdruck dieser hohen Erwartungen ist der große Publikumsandrang im Keller Klub.

Das hätte besser werden können

Zwei Probleme hat der Auftritt von Ja, Panik am Freitagabend. Erstens: der Klang. Die Songs dieser Band leben von den Texten; der Gesang muss also in den Vordergrund gemischt sein. Die stellenweise drei Gitarren müssen benötigen einen transparenten Gesamtsound. Und das Publikum muss mit voller Konzentration dabei sein. Alle diese Dinge sind in einem ausverkauften Keller Klub leider nicht zu garantieren respektive an diesem Abend höchstens teilweise vorhanden. Deshalb klingt das Konzert plumper und grobschlächtiger, als die Musik von Ja, Panik eigentlich ist.

Das zweite Problem hängt vielleicht mit dem ersten zusammen: Von einer Show ist nicht wirklich zu sprechen. Ja, Panik sind natürlich nicht dafür bekannt, wie wild über die Bühne zu hüpfen. Und doch scheint es, als spielten sie ihr Set ziemlich routiniert, man könnte auch sagen: ein wenig lustlos runter. Wohlwollend könnte man annehmen, dass sich die Band wegen der geschilderten Umstände nicht wirklich wohlfühlt. Man ist seinem Publikum im Keller Klub auch ziemlich nah. Was in diesem Fall vielleicht auch nicht ganz optimal ist.

Oder das war einfach nur sehr subtil

So wurde der Abend nicht ganz so gut, wie er hätte werden können. Man hörte sich die Songs halt so an, aber es kam bei weitem nicht so viel rüber wie tags zuvor bei den Nerven, die ebenfalls viel Zeitgeist transportieren wollen. Oder wie auf dem Album „Libertatia“, Oder Ja, Panik haben das alles gemacht, nur subtiler, und nicht jeder hat es mitbekommen. Auch möglich.

Konzertkritiker haben da nichts mitzureden, und man muss den Popnotpop-Konzertveranstaltern in erster Linie dafür danken, dass sie (mal wieder) eine der aktuell wichtigsten Bands in die Stadt geholt haben. Doch würde diese an Blumfeld oder Tocotronic erinnernde, vielschichtige und in bester deutscher Poptradition stehende Musik beispielsweise im Schocken besser klingen.