Keiko Tamai war schon drauf und dran aufzugeben. Sie managt das 135 Jahre alte Minshuku Sosuke. Eine kleine, traditionelle Familienpension mit 16 Zimmern in der historischen Stadt Takayama in den japanischen Alpen südwestlich von Tokio. Da war allerdings nicht mehr viel zu managen seit dem 11.März. Sie musste ihre Zimmerfrauen entlassen und erledigt seitdem alle Arbeiten, einschließlich Putzen, mit dem Koch und der Servicekraft höchstpersönlich – zu reduziertem Gehalt. Zehn Gruppen aus Deutschland hat sie normalerweise im Jahr. Jetzt kamen – jeweils für eine Nacht – die Eltern eines deutschen Austauschschülers und eine Emerita, die ihren früheren Professor besuchen wollte. Keiko sitzt daneben, als Project Chief Atsushi Murai im Tourismusamt mir berichtet. „Eine dramatische Entwicklung“, sagt er, „wir haben fast keine ausländischen Gäste mehr.“ Aber auch: Bisher musste in Takayama kein Betrieb schließen. Da schöpft Keiko Hoffnung: „Dann kann ich es vielleicht auch schaffen.“ Auf der Homepage ihrer Stadt wirbt der Bürgermeister in deutscher Sprache um Vertrauen. Die neuesten Strahlenwerte hat er auf der Startseite platziert: etwa gleich hoch wie in Berlin.

 

Ayako Akimoto hat nichts mit Tourismus zu tun. Mit ihrem Mann Takeyuki und ihrem kleinen Sohn Takahiro lebt sie in der Hafenstadt Akashi südlich von Kyoto. Fukushima ist weit. Aber plötzlich seien Obst, Gemüse und Reis viel teurer geworden. Das fruchtbare Anbaugebiet rund um Fukushima sei ja jetzt tabu. Also achtet sie jetzt noch viel genauer als zuvor auf die Herkunft aller Produkte und auf die täglichen offiziellen Messergebnisse von Obst und Gemüse. Im Übrigen fürchtet sie vor allem Erdbeben. Sie hat für Takahiro ein Erdbebenkissen genäht, das er in der Schule sofort über den Kopf stülpen muss, wenn die Erde wackelt. Am 11. März hat er es zum ersten Mal benutzt.