Es ist mucksmäuschenstill in dem Viertel. Hin und wieder kreischt eine Möwe. Ein Frachter liegt wie aufgebockt auf dem Ufer. Die 56-jährige Sasaki Yuko schüttelt angesichts der Naturgewalten den Kopf. "Wir hatten ein Auto in unserer Garage", erzählt die Frau, die vor dem Tsunami mit dem Ehemann den Meeresfrüchteladen Sasagen betrieb. "Jetzt haben wir noch zwei andere Fahrzeuge drin, einen alten Staubsauger und einen Getränkeautomat, der uns nicht gehört. Alles wurde vom Tsunami gebracht." Die kleine Frau mit dem schulterlangen Haar kichert und hält sich erschrocken die Hand vor den Mund. "Ich bin etwas von mir enttäuscht, weil ich lachen kann, aber was sollen wir sonst tun."

 

Sie überstand den Tsunami mit ihrem Gatten im zweiten Stock des Hauses über dem Laden. Jetzt harren sie ohne Strom, ohne Wasser und ohne Gasheizung aus. "Ich habe keine Ahnung, wann wir wieder normal leben können", sagt die Frau. Das Ehepaar versucht, das Haus vom Schutt zu befreien. "Wir wollen sicher sein, dass keine Leichen mehr bei uns begraben sind", sagt sie. Da biegt der Ehemann im schlammbespritzten Overall um die Ecke. Er ist sauer. "Rede nicht so viel!", brummt er ungehalten. "Wir haben zu arbeiten."

Zielloses Suchen ohne Erfolg

"Ganbaru" lautet die Devise der Überlebenden von Kamaishi. Das japanische Wort bedeutet etwa "das Äußerste versuchen". Aus diesem Grundsatz schöpfen die Menschen nun die Energie, mit der sie sich dem schier aussichtslosen Unterfangen stellen, die verlorene Existenz wiederaufzubauen. Diese Entschlossenheit bringen nicht alle Überlebenden auf. Eine Bande von Gangstern wurde geschnappt, als sie versuchte, den Tresor einer verwüsteten Bank zu plündern. Mitsuo Kanno wiederum kann nicht einmal mehr die 180 Euro hohe Monatsmiete seiner kleinen Wohnung mit Gemeinschaftstoilette aufbringen. 54 seiner 60 Lebensjahre verbrachte der Koch in der Hafenstadt. Nun ist er entschlossen, sein Glück in Kitakame zu versuchen, 100 Kilometer entfernt im Hochland, weit weg von der Küste. "Ich bleibe noch, bis ich mein Auto wiederhabe", erzählt er. Der Wagen steht sicher in einer Mietgarage. Doch die Einfahrt ist mit zerbeulten Karossen und Schutt verstopft.

Das Mobiltelefon klingelt. Die Tochter des Restaurantbesitzers ist in Kamaishi eingetroffen. Man trifft sich. Hilflos stochert die übermüdete Frau in den Ruinen des Restaurants herum. Dann zieht sie mit dem Koch zum ehemaligen Wohnhaus des Vaters. Doch nicht einmal das Fundament steht mehr. 150 Meter weiter liegt der Giebel mit Teilen des Dachs auf einem Schuttberg. Auch hier bleibt die ziellose Suche ohne Erfolg. Im Schutt ist keine Spur von der persönlichen Habe des Vaters zu finden.

Der Koch zeigt auf ein zehnstöckiges Apartmentgebäude in der Nähe, das scheinbar unversehrt geblieben ist. "Der erste Stock war als Fluchtzentrum im Fall eines Tsunami vorgesehen", erzählt der 60-jährige Junggeselle. "Viele Leute sind dorthin geflohen und gestorben." Zu den Opfern gehörte auch Shimo Kawara, mit 104 Jahren der älteste Einwohner Kamaishis. Der Greis ertrank, als die Welle bis in die zweite Etage des Hochhauses schwappte. In der Nachbarschaft sind die Straßen geräumt. Sie führen durch ein Chaos aus übel riechendem Schlamm, aufgeweichten Büchern, klatschnassen Wolldecken und zerfetzten Kleidern.

Ausharren ohne Strom, ohne Wasser und ohne Gasheizung

Es ist mucksmäuschenstill in dem Viertel. Hin und wieder kreischt eine Möwe. Ein Frachter liegt wie aufgebockt auf dem Ufer. Die 56-jährige Sasaki Yuko schüttelt angesichts der Naturgewalten den Kopf. "Wir hatten ein Auto in unserer Garage", erzählt die Frau, die vor dem Tsunami mit dem Ehemann den Meeresfrüchteladen Sasagen betrieb. "Jetzt haben wir noch zwei andere Fahrzeuge drin, einen alten Staubsauger und einen Getränkeautomat, der uns nicht gehört. Alles wurde vom Tsunami gebracht." Die kleine Frau mit dem schulterlangen Haar kichert und hält sich erschrocken die Hand vor den Mund. "Ich bin etwas von mir enttäuscht, weil ich lachen kann, aber was sollen wir sonst tun."

Sie überstand den Tsunami mit ihrem Gatten im zweiten Stock des Hauses über dem Laden. Jetzt harren sie ohne Strom, ohne Wasser und ohne Gasheizung aus. "Ich habe keine Ahnung, wann wir wieder normal leben können", sagt die Frau. Das Ehepaar versucht, das Haus vom Schutt zu befreien. "Wir wollen sicher sein, dass keine Leichen mehr bei uns begraben sind", sagt sie. Da biegt der Ehemann im schlammbespritzten Overall um die Ecke. Er ist sauer. "Rede nicht so viel!", brummt er ungehalten. "Wir haben zu arbeiten."

Zielloses Suchen ohne Erfolg

"Ganbaru" lautet die Devise der Überlebenden von Kamaishi. Das japanische Wort bedeutet etwa "das Äußerste versuchen". Aus diesem Grundsatz schöpfen die Menschen nun die Energie, mit der sie sich dem schier aussichtslosen Unterfangen stellen, die verlorene Existenz wiederaufzubauen. Diese Entschlossenheit bringen nicht alle Überlebenden auf. Eine Bande von Gangstern wurde geschnappt, als sie versuchte, den Tresor einer verwüsteten Bank zu plündern. Mitsuo Kanno wiederum kann nicht einmal mehr die 180 Euro hohe Monatsmiete seiner kleinen Wohnung mit Gemeinschaftstoilette aufbringen. 54 seiner 60 Lebensjahre verbrachte der Koch in der Hafenstadt. Nun ist er entschlossen, sein Glück in Kitakame zu versuchen, 100 Kilometer entfernt im Hochland, weit weg von der Küste. "Ich bleibe noch, bis ich mein Auto wiederhabe", erzählt er. Der Wagen steht sicher in einer Mietgarage. Doch die Einfahrt ist mit zerbeulten Karossen und Schutt verstopft.

Das Mobiltelefon klingelt. Die Tochter des Restaurantbesitzers ist in Kamaishi eingetroffen. Man trifft sich. Hilflos stochert die übermüdete Frau in den Ruinen des Restaurants herum. Dann zieht sie mit dem Koch zum ehemaligen Wohnhaus des Vaters. Doch nicht einmal das Fundament steht mehr. 150 Meter weiter liegt der Giebel mit Teilen des Dachs auf einem Schuttberg. Auch hier bleibt die ziellose Suche ohne Erfolg. Im Schutt ist keine Spur von der persönlichen Habe des Vaters zu finden.

Mitsuo Kanno bringt die Tochter seines toten Chefs zu der eisigen Lagerhalle der Stahlfabrik von Nippon Steel am Ortsrand. Auf der rechten Seite sind in einer langen Reihe die weißen Holzsärge aufgereiht. Ein Polizist öffnet die Klappe des dritten Sarges. Die Tochter beugt sich tief über den Toten. Nahezu zehn Tage lag er im Schutt. Nun ist das Gesicht kaum zu erkennen. Ein letzter Rest Hoffnung keimt bei der Tochter auf, dass es sich um eine Verwechslung handeln könnte. Doch dann fügt sie sich dem Schicksal. Sie gibt die Zustimmung zum "Osoushiki", der Begräbniszeremonie.