Mit den Mitteln des Jazz holt sie schwedische Band Tonbruket um den früheren E.S.T.-Basisten Dan Berglund den Experimental-Rock der späten 1960er Jahre in die Gegenwart. am Mittwoch im Bix hat sie damit für Begeisterung gesorgt.

Stuttgart - Wie ein Fels, umtost von musikalischer Brandung, ruht Dan Berglund nahe der Bühnenmitte am Mittwochabend im Stuttgarter Jazzclub Bix. Immer wieder selig lächelnd, als hätte er den Spaß seines Lebens, legt er am Kontrabass flinken Fingers das Fundament für einen denkwürdigen Konzertabend, der sich freilich gar nicht vor allem um ihn dreht: In Berglunds Band Tonbruket (schwedisch für „Klangfabrik“) herrscht ein konsequentes Miteinander und alle agieren auf Augenhöhe – so wie früher beim Trio E.S.T., in dem der Bassist vor dem frühen Tod des Pianisten Esbjörn Svensson 15 äußerst kreative Jahre verbrachte.

 

In Jazz-Kreisen ist Berglund so etwas wie ein Star, im Herzen ist er ein Künstler geblieben, dem es ausschließlich um Musik geht – und zwar auch um Rock, schon bei E.S.T. steuerte er gerne übersteuerte Riffs bei. Tonbruket nun gehen einen Schritt weiter: sie holen mit den Mitteln des Jazz den Experimental-Rock der späten 1960er Jahre in die Gegenwart. Sie nehmen das scheinbar Naheliegende und setzen es überzeichnener Verfremdung aus. Dabei entsteht ein völlig eigenständiger Sound mit wundersamen Atmosphären, eine progressive Klangforschung, wie sie Bands wie die frühen Pink Floyd betrieben haben – wobei Tonbruket jeden Anflug von Gefälligkeit sofort schön gegen den Strich bürsten und manchmal satirisch überhöhen. Sie drehen Akustikgitarrenfolk mit einem orientalischen Thema durch die Mangel, sie spielen mit dem Surf-Sound-Groove der 1960er und integrieren hawaiianischen Frohsinn.

Berglunds Mitstreiter platzen beinahe vor Spiellust, stellen diese aber immer in den Dienst des großen Ganzen. Gitarrist Johan Lindström bietet cooles Hochgeschwindigkeits-Picking, schlägt mit fettem Fuzz-Sound kantige Riffs, überdreht Gitarrensoli gerade so weit, das jedes Klischee verschwindet, und er befreit die Pedal-Steel-Gitarre aus dem Country-Gefängnis. Der virtuose Pianist und Keyboarder Martin Hederos sprudelt vor Ideen, und hat alle Sounds zur Verfügung, die er braucht, um ihnen Gestalt zu geben: Mal meint man, eine Hammond-Orgel röhren zu hören, mal scheint ein Moog-Synthesizer zu zirpen. Dabei verbiegt Hederos gerne die Klangkurven und dreht exzessi an den Stellknöpchen seines Synthesizers, wie man es selten sieht.

Themen und Stimmungen wechseln mitunter abrupt

Andreas Werliin entfaltet eine Wucht wie ein Rockdrummer, gibt sich aber nicht mit simplen Beats zufrieden – er variiert ständig, akzentuiert, setzt Toms und Becken ein. Und dann ist da noch der Fels, die große Konstante ist im Tonbruket-Kosmos. Mal pumpt Berglund ein markantes Riffs, mal streicht er ein wehmütiges Thema, mal lässt er einen Finger eine Saite entlangegleiten und arbeitet mit Anschlägen ein Muster heraus.

Themen und Stimmungen wechseln mitunter abrupt, und die Band entfaltet eine extreme Dynamik: Ein zähflüssig rumpelndes Sich-Heranschleppen kann überraschend in eine schwelgerische Piano-Fantasie münden, und wenn die Band kakofonsich rattert, donnert, wabert und fiept, kann sie im nächsten Moment schon auf einer minimalistischen Traumreise sein.

Tonbruket tragen ihre Zuhörer weit hinaus über die Grenzen musikalischer Alltagserfahrung, was durchaus befremden kann – im Bix aber sind am Ende alle restlos begeistert. Zweimal klatschen sie die vier Schweden zurück auf die Bühne, ehe nach dem „schwedischen Blues“ (Hederos) „Polka Oblivion“ Schluss ist, einem nordisch dunklen, folkloristischen Albtraum, der Tom Waits sicher gefallen würde. Die Klangfabrik hat ihrem Namen alle Ehre gemacht.