Kultur: Adrienne Braun (adr)

Was die Ausstellung leider nicht verrät: Jeff Koons ist kein Maler. Er nimmt nie einen Pinsel in die Hand, er lässt malen. Mehr als hundert Mitarbeiter sind in seiner Kunstfabrik tätig. Das ist keineswegs ehrenrührig, aber statt distanzlos den Mythos Koons zu zelebrieren, hätte die Ausstellung die Produktionsbedingungen als Teil des künstlerischen Konzepts transparent machen sollen. Wie sagte es einmal Jean-Christophe Ammann, als er noch das Frankfurter Museum für Moderne Kunst leitete? Die Strategie von Jeff Koons sei „vielleicht interessanter als die Werke“.

 

Seine Skulpturen lässt Koons wiederum von Porzellanfachbetrieben und Herrgottschnitzern fertigen. Fünfzig Physiker haben mitgeholfen, dass Basketbälle in Aquarien schweben. Einer dieser Glaskästen steht nun im Liebighaus neben einer thronenden Muttergottes. Das Museum am Museumsufer – das leider schlecht von der Schirn aus zu erreichen ist – vervollständigt die Werkschau. Die in Edelstahl gegossenen Schwimmbadtierchen, die holzgeschnitzten Pudel und Akte aus Muranoglas wurden in die Sammlung integriert – und damit in den Kontext der ganz großen Kunstgeschichte gestellt. Kitschige Cherubs in Poesiealbumästhetik sind nun gleichauf mit den Engeln von Franz Ignaz Günther (um 1770). Ein Michael Jackson aus Porzellan erstrahlt gülden neben dem goldenen Sarg der ägyptischen Amunpriesterin aus dem 13. Jahrhundert vor Christus.

Diese Konfrontationen vermitteln, dass das Göttliche heute durch irdische Heroen ersetzt wurde. Sie machen aber auch verständlich, wie Koons den Kunstbegriff erweitert und mit welchen Traditionen er spielt. So ist seine „Balloon Venus“ eine Neuauflage der Venus von Willendorf: eine riesige Ballonskulptur aus lila schillerndem Edelstahl. In seiner neuen Serie „Antiquity“ greift Koons gezielt auf antike Vorbilder zurück – wie bei seiner „Metallic Venus“, einer blaugrün schillernden Schönen, die sehr kess das Hemdchen hebt.

Jeff Koons sucht immer neue Wege, um die Fetische, Mythen und Helden der Gegenwart künstlerisch zu paraphrasieren. Er wolle den Betrachter ansprechen, stimulieren und erregen, sagt Koons – und eben weil seine Kunst so hochglänzend, edel und sexy wie ein Luxusprodukt wirkt, ist sie zum begehrten Objekt der Schönen und Reichen geworden. Aber Koons ist ein vielseitiger und beachtenswerter Künstler, auch wenn er gefallen will. Dass seine provokante Phase wohl endgültig vorbei ist, verrät der Katalog, in dem die Pornos mit Cicciolina an entscheidender Stelle beschnitten und entschärft wurden – auf Wunsch des Künstlers. Er wolle das Buch auch in anderen Ländern einsetzen und dort auf keinen Fall moralische Gefühle verletzen.