Es erstaunt, wie zielstrebig der bildhungrige Student seinen Weg geht und sich früh an den großen Vorgängern orientiert. Diego Velázquez ist das hauptsächlich, wer soll an diesem Titanen in Spanien schon vorbeikommen? Und er bleibt vor allen anderen Eindrücken, die er etwa in Paris erfährt, ein Leben lang Vorbild – gleichwohl transportiert in eine eigene, zeitgemäße Sprache. Ein spätes Knabenbildnis mit Hund (1906) erinnert an die Prinzen, die Velázquez am Madrider Hof verewigt hat; fast meint man, eine Habsburger Unterlippe zu bemerken.

 

Überhaupt sind es neben dieser fulminanten Feier des mediterranen Lichts die Porträts, an denen man kleben bleibt. Am Neurologen „Dr. Simarro“ (1897) etwa, der in seinem Labor zwischen Apothekerflaschen und Gerätschaften eine fitzelige Untersuchung durchführt und dem sechs dicht um ihn gedrängte Kollegen gebannt über die Schulter sehen. Die Spannung überträgt sich unmittelbar auf den Betrachter. Solche Szenen übertreffen jede Momentaufnahme der Lichtbildnerei, mit der Sorolla durch seinen Schwiegervater, einen Fotografen, vertraut war und die er nutzt.

Dann die Familie. Einmal komponiert er seine Frau Clothilde und die drei Kinder in eine kluge wie anregende Interpretation von Velázquez’ „Las Meninas“ – mit der jüngsten Tochter im weißen Kleidchen, die wie die spanische Infantin Margarita im Zentrum thront und vom Bruder gezeichnet wird, während im Hintergrund der Vater mit seiner Palette aus einem Spiegel schaut.

Selbstporträt mit tiefernstem Blick

Und immer wieder die schöne Clothilde. Mal im grauen Alltagskleid, mal in mondäner schwarzer Robe mit unschuldig blasser Rose an der Wespentaille. Oder im Kindbett, einem Ozean von Weißtönen, aus dem zwei erschöpfte Köpfe lugen, die Mama und die winzige Tochter Elena. Dem gegenüber funkelt ein weiblicher Rückenakt – eine eigenwillige wie brillante Hommage an Velázquez’ Rokeby-Venus. Die Dame delektiert sich allerdings an ihrem Ring statt am eigenen Antlitz und liegt auf einem Seidenlaken, das zwischen Lachs- und Altrosa changiert und gefährlich nah am Kitsch entlang gleitet.

Sorolla reizt die Palette aus, das tut manchmal weh in den Augen, aber so ist es ja auch mit dem gleißenden Licht in seinen Bildern, das für den Eindruck des Spontanen sorgt und irgendwo weit im Norden bei Anders Zorn (den er kannte) abgekühlt wieder auftaucht. Doch bei aller Vereinnahmung durch den angesagten Impressionismus ist Sorolla auch ein Künstler des 19. Jahrhunderts, für den weder ein sozialkritischer Realismus noch der minutiöse Naturalismus passé sind. Das gibt seinen Sujets Gewicht und seiner Licht-Lufthaftigkeit Halt. Und gerade in diesem Zusammenspiel findet Sorolla zum Außergewöhnlichen.

Dabei hatte dieser Künstler denkbar schlechte Voraussetzungen. Im Alter von nur zwei Jahren verliert er die Eltern, in Valencia wütet die Cholera. Eine liebevolle Tante adoptiert ihn, das ist sein Glück, und eigentlich soll er wie der Onkel Schlosser werden. Doch schon den Lehrern fällt sein Zeichentalent auf und er darf mit fünfzehn Jahren an die Kunstakademie.

Diego Velázquez ist sein großes Vorbild

Es erstaunt, wie zielstrebig der bildhungrige Student seinen Weg geht und sich früh an den großen Vorgängern orientiert. Diego Velázquez ist das hauptsächlich, wer soll an diesem Titanen in Spanien schon vorbeikommen? Und er bleibt vor allen anderen Eindrücken, die er etwa in Paris erfährt, ein Leben lang Vorbild – gleichwohl transportiert in eine eigene, zeitgemäße Sprache. Ein spätes Knabenbildnis mit Hund (1906) erinnert an die Prinzen, die Velázquez am Madrider Hof verewigt hat; fast meint man, eine Habsburger Unterlippe zu bemerken.

Überhaupt sind es neben dieser fulminanten Feier des mediterranen Lichts die Porträts, an denen man kleben bleibt. Am Neurologen „Dr. Simarro“ (1897) etwa, der in seinem Labor zwischen Apothekerflaschen und Gerätschaften eine fitzelige Untersuchung durchführt und dem sechs dicht um ihn gedrängte Kollegen gebannt über die Schulter sehen. Die Spannung überträgt sich unmittelbar auf den Betrachter. Solche Szenen übertreffen jede Momentaufnahme der Lichtbildnerei, mit der Sorolla durch seinen Schwiegervater, einen Fotografen, vertraut war und die er nutzt.

Dann die Familie. Einmal komponiert er seine Frau Clothilde und die drei Kinder in eine kluge wie anregende Interpretation von Velázquez’ „Las Meninas“ – mit der jüngsten Tochter im weißen Kleidchen, die wie die spanische Infantin Margarita im Zentrum thront und vom Bruder gezeichnet wird, während im Hintergrund der Vater mit seiner Palette aus einem Spiegel schaut.

Selbstporträt mit tiefernstem Blick

Und immer wieder die schöne Clothilde. Mal im grauen Alltagskleid, mal in mondäner schwarzer Robe mit unschuldig blasser Rose an der Wespentaille. Oder im Kindbett, einem Ozean von Weißtönen, aus dem zwei erschöpfte Köpfe lugen, die Mama und die winzige Tochter Elena. Dem gegenüber funkelt ein weiblicher Rückenakt – eine eigenwillige wie brillante Hommage an Velázquez’ Rokeby-Venus. Die Dame delektiert sich allerdings an ihrem Ring statt am eigenen Antlitz und liegt auf einem Seidenlaken, das zwischen Lachs- und Altrosa changiert und gefährlich nah am Kitsch entlang gleitet.

Sorolla reizt die Palette aus, das tut manchmal weh in den Augen, aber so ist es ja auch mit dem gleißenden Licht in seinen Bildern, das für den Eindruck des Spontanen sorgt und irgendwo weit im Norden bei Anders Zorn (den er kannte) abgekühlt wieder auftaucht. Doch bei aller Vereinnahmung durch den angesagten Impressionismus ist Sorolla auch ein Künstler des 19. Jahrhunderts, für den weder ein sozialkritischer Realismus noch der minutiöse Naturalismus passé sind. Das gibt seinen Sujets Gewicht und seiner Licht-Lufthaftigkeit Halt. Und gerade in diesem Zusammenspiel findet Sorolla zum Außergewöhnlichen.

Gleich im ersten Raum hängt ein Selbstporträt. Mit tiefernsten Augen schaut Sorolla dem Betrachter da entgegen. Kehrt man nach dem Rundgang noch einmal zurück, meint man, in diesem Blick auch einen leisen Vorwurf auszumachen. Wie konnten wir diesen Maler nur so lange übersehen?

Bis 3. Juli. Kunsthalle München. Täglich 10-20 Uhr. Der Katalog ist bei Hirmer erschienen und kostet 29 Euro.