Die Johannesstraße soll wieder werden, was sie einmal war: ein Prachtboulevard. Die Bäume werden neu eingefasst, der Gehweg erhält neue Betonplatten, die Parkierung wird neu geordnet, und ein Pflasterstreifen am Rand, ein sogenannter Reitweg, wird verlegt.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Der Umbau der Johannesstraße hat begonnen. Dem Boulevard und der einstigen Hauptschlagader soll zu neuem Glanz verholfen werden – zumindest im Abschnitt zwischen Gutenbergstraße und Ludwigstraße: Die Bäume werden neu eingefasst, der Gehweg erhält neue Betonplatten, die Parkierung wird neu geordnet, und ein Pflasterstreifen am Rand, ein sogenannter Reitweg, wird verlegt. Zudem erhält die Straße eine neue Beleuchtung und an den Rändern Bänke, Spiel- und Bewegungsgeräte und Abfallkörbe.

 

Organisationsform en vogue

Laut Auskunft der Stadtverwaltung werden sich die Bauarbeiten bis voraussichtlich Mitte November hinziehen. Die Straße ist im fraglichen Abschnitt vollgesperrt. Der Verkehr wird über die Silberburg- beziehungsweise über die Senefelderstraße umgeleitet. Ziel der Baumaßnahme ist es, die historische Allee wieder aufzuwerten. Voraussichtlich werden knapp ein Dutzend Parkplätze der Verschönerung geopfert werden.

Die Johannesstraße ist benannt nach der 1876 eingeweihten, neugotischen Kirche, die ihr südliches Ende begrenzt. Sie war offenbar als Prachtboulevard gedacht und wurde nach den Plänen von König Wilhelm I. erbaut. Ursprünglich war sie wohl nur am Rande gepflastert, sagt Klaus Volkmer vom Stadtplanungsamt. Verlässlich belegen lasse sich das nicht, weil der Straßenbelag auf historischen Bildern nicht recht zu erkennen sei. Die Straßenmitte, die mit einer Art Split bedeckt gewesen sein dürfte, teilten sich zunächst alle Verkehrsteilnehmer. Heute ist diese Organisationsform wieder en vogue, und man nennt sie „Shared-Space“. In der Tübinger Straße ist zu sehen, wie das funktioniert.

Fußgänger und Reiter mussten sich arrangieren

Mit der fortschreitenden Industrialisierung verdichtete sich der Verkehr um die Jahrhundertwende auf der Johannesstraße, und eine „Zonung“ wurde eingeführt, wie Klaus Volkmer sagt. Der Fachmann geht davon aus, dass ein kopfsteingepflasterter Reitweg angelegt wurde, auf dem sich „Fußgänger und Reiter arrangieren mussten“, während die Straßenmitte den Fuhrwerken vorbehalten war.

Unabdingbar für eine Prachtstraße des 19. Jahrhunderts war, dass sie schnurgerade verlief und an ihren Enden repräsentative Bauten prangten. Sie dienten als Blickfänge und eröffneten interessante Sichtachsen. Hierbei stand – wie damals überall in Europa – der Umbau von Paris durch Georges-Eugène Baron Haussmann Pate. Während also am südlichen Ende die Johanneskirche emporragte, stand am nördlichen Ende des Stuttgarter Boulevards die württembergische Landwirtschaftliche Zentralgenossenschaft samt Bank. Heute befindet sich in dem repräsentativen Bau des Architekten Albert Eitel das Arbeitsgericht. Auf seine ursprüngliche Nutzung weisen steinerne Verzierungen über dem Eingangsportal hin, das Früchte und einen Sämann zeigt.