Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Das zumeist aus Wüste bestehende Land hat nichts, um Wohlstand zu schaffen: kaum Rohstoffe, immer weniger Wasser – und der Handel ist kollabiert, weil nur noch die Grenze zu Saudi-Arabien offen gehalten wird. Zudem bleiben seit Jahren die Touristen weg. Ministerpräsident Hani Mulki sieht die Kapazitäten erschöpft – immer neue Hilferufe sendet er an die Weltgemeinschaft aus. Jordanien hat etwa 9,5 Millionen Einwohner. 1,3 Millionen stammen aus Syrien und 300 000 aus dem Irak. Dass dieses schmale Land die Invasion ohne Proteste erträgt, lässt sich nur mit der Vergangenheit erklären: Seit dem Weltkrieg mussten Millionen vertriebener Palästinenser integriert werden; von 2003 bis 2006 kamen dann die kriegsgebeutelten Iraker – diese aber mit ihrem Einkommen, wie sich der IOCC-Helfer Osama Daibes erinnert. Nun die bitterarmen Syrer. „Doch jeder wird aufgenommen, egal, woher er kommt – das ist Teil unserer Kultur.“

 

Die Tochter von einem Krieg in den anderen geschickt

Auch Rouzah Almustafa fühlt sich gut behandelt: Mit ihrem Mann und ihren drei Kindern harrt sie bei Mafraq aus, zehn Kilometer von der Grenze entfernt: im halb fertigen Haus eines Jordaniers, der derzeit in Bahrein arbeitet. Neun Monate steckten sie im Lager Zaatari fest, dann wurden die Bandenkonflikte immer unerträglicher. Zudem irrte ihr Sohn Omar oft desorientiert durch das Camp – jetzt lebt die Familie auf einem umzäunten Grundstück, da hat ihn die Mutter stets im Blick. Der stämmige 17-Jährige wirkt neben ihr wie ein unbeholfenes Kleinkind. Er sei durch Luftangriffe traumatisiert, erklärt die resolute Frau. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat ihr eine Betreuung im Heim angeboten, doch will sie Omar keinesfalls in fremde Hände geben.

Ein schwarzer stählerner Ofen mit einem dicken Rohr zur Decke bildet das Zentrum des kahlen Raums. Wärme gibt er nicht ab, es mangelt an Brennmaterial. In der Ecke steht ein alter Röhrenfernseher, gespendet von einem Nachbarn. Mehr Interieur gibt es nicht. Almustafa hat eine Tochter, die wegen Augenproblemen vom Mann verlassen wurde – und eine weitere, die nach Libyen verheiratet wurde. „Ich habe mein Kind von einem Krieg in den anderen geschickt“, sagt sie bitter.

Wenn es sein muss, zu Fuß nach Hause

Die Familie erhält Mietkostenzuschüsse von der Diakonie. Doch auf ewig möchte sie nicht zur Last fallen: „Wenn der Krieg endet, gehe ich notfalls zu Fuß heim und schlage in dem von Raketen zerstörten Haus ein Zelt auf.“ Ihre Mutter und einige Schwestern seien noch geblieben. „Sonst würden wir unser Eigentum verlieren und könnten nicht mehr zusammenkommen.“

Das Königreich wandelt auf einem schmalen Grat: Acht von zehn jungen Menschen wollen es verlassen, weil sie kein Vertrauen mehr in eine korrupte Regierung haben. Die Arbeitslosenquote beträgt 27 Prozent, elf Prozent der Jordanier sind unter die Armutsgrenze gefallen. Das Grummeln wird immer lauter. Die Regierung hat nicht erwartet, dass die Syrer so lange bleiben – jetzt bemüht sie sich notgedrungen um ihre Eingliederung.

Kaum ein Nachbarland leidet so sehr unter dem Krieg wie Jordanien. Mehr als 655 000 Flüchtlinge sind dort registriert, hinzu kommen etwa 139 000 nicht-registrierte Menschen. Zaatari nahe der Grenze gehört zu den größten Lagern weltweit, zur Entlastung entstand mitten in der Wüste Azraq – beide Camps versorgen insgesamt mehr als 130 000 Heimatlose. Ferner verharren 80 000 im Niemandsland, weil Jordanien nach einer Terrorattacke im Dezember die Grenze aus Furcht vor IS-Milizen dicht hält und fast keinen Flüchtling mehr reinlässt.

Das Land kann sich nicht selbst ernähren

Das zumeist aus Wüste bestehende Land hat nichts, um Wohlstand zu schaffen: kaum Rohstoffe, immer weniger Wasser – und der Handel ist kollabiert, weil nur noch die Grenze zu Saudi-Arabien offen gehalten wird. Zudem bleiben seit Jahren die Touristen weg. Ministerpräsident Hani Mulki sieht die Kapazitäten erschöpft – immer neue Hilferufe sendet er an die Weltgemeinschaft aus. Jordanien hat etwa 9,5 Millionen Einwohner. 1,3 Millionen stammen aus Syrien und 300 000 aus dem Irak. Dass dieses schmale Land die Invasion ohne Proteste erträgt, lässt sich nur mit der Vergangenheit erklären: Seit dem Weltkrieg mussten Millionen vertriebener Palästinenser integriert werden; von 2003 bis 2006 kamen dann die kriegsgebeutelten Iraker – diese aber mit ihrem Einkommen, wie sich der IOCC-Helfer Osama Daibes erinnert. Nun die bitterarmen Syrer. „Doch jeder wird aufgenommen, egal, woher er kommt – das ist Teil unserer Kultur.“

Die Tochter von einem Krieg in den anderen geschickt

Auch Rouzah Almustafa fühlt sich gut behandelt: Mit ihrem Mann und ihren drei Kindern harrt sie bei Mafraq aus, zehn Kilometer von der Grenze entfernt: im halb fertigen Haus eines Jordaniers, der derzeit in Bahrein arbeitet. Neun Monate steckten sie im Lager Zaatari fest, dann wurden die Bandenkonflikte immer unerträglicher. Zudem irrte ihr Sohn Omar oft desorientiert durch das Camp – jetzt lebt die Familie auf einem umzäunten Grundstück, da hat ihn die Mutter stets im Blick. Der stämmige 17-Jährige wirkt neben ihr wie ein unbeholfenes Kleinkind. Er sei durch Luftangriffe traumatisiert, erklärt die resolute Frau. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat ihr eine Betreuung im Heim angeboten, doch will sie Omar keinesfalls in fremde Hände geben.

Ein schwarzer stählerner Ofen mit einem dicken Rohr zur Decke bildet das Zentrum des kahlen Raums. Wärme gibt er nicht ab, es mangelt an Brennmaterial. In der Ecke steht ein alter Röhrenfernseher, gespendet von einem Nachbarn. Mehr Interieur gibt es nicht. Almustafa hat eine Tochter, die wegen Augenproblemen vom Mann verlassen wurde – und eine weitere, die nach Libyen verheiratet wurde. „Ich habe mein Kind von einem Krieg in den anderen geschickt“, sagt sie bitter.

Wenn es sein muss, zu Fuß nach Hause

Die Familie erhält Mietkostenzuschüsse von der Diakonie. Doch auf ewig möchte sie nicht zur Last fallen: „Wenn der Krieg endet, gehe ich notfalls zu Fuß heim und schlage in dem von Raketen zerstörten Haus ein Zelt auf.“ Ihre Mutter und einige Schwestern seien noch geblieben. „Sonst würden wir unser Eigentum verlieren und könnten nicht mehr zusammenkommen.“

Das Königreich wandelt auf einem schmalen Grat: Acht von zehn jungen Menschen wollen es verlassen, weil sie kein Vertrauen mehr in eine korrupte Regierung haben. Die Arbeitslosenquote beträgt 27 Prozent, elf Prozent der Jordanier sind unter die Armutsgrenze gefallen. Das Grummeln wird immer lauter. Die Regierung hat nicht erwartet, dass die Syrer so lange bleiben – jetzt bemüht sie sich notgedrungen um ihre Eingliederung.

Die große Wohnraumnot fördert den Mietwucher

Manch ein Jordanier nutzt die Krise für den großen Reibach. „Der Mietwucher beschäftigt uns am meisten“, sagt der IOCC-Helfer Osama Daibes. Wajihah Hamandoush und ihre Familie leben in einer Wohnung, die gerade im Rahmen eines Renovierungsprojekts der Diakonie Katastrophenhilfe für 1000 Dinar (1330 Euro) renoviert wurde – mit Türen, Putz und Farbe an der Wand sowie einer Abtrennung von Küche und Sanitärbereich. „Selbst die Nachbarn kommen zur Besichtigung“, sagt Hamandoush. Der Haken: Mit dem Vermieter wurde vertraglich vereinbart, dass die Familie lediglich ein Jahr vor dem Rauswurf gesichert ist – und Daibes ahnt bereits, dass sie am ersten Tag nach Vertragsablauf rausgeworfen wird, damit der Besitzer seine Wohnung für das Sieben- bis Achtfache der ursprünglichen Miete weitervermitteln kann. Schon jetzt nimmt er 80 statt vorher 20 Dinar. „Wir hatten keine andere Wahl“, sagt Daibes. Dieser Kompromiss sei der einzige Weg, um an Wohnraum für Flüchtlinge zu kommen. Selbst Ställe und Garagen werden schon als solcher vermietet.

Neben den zwei Kindern betreut die 28-jährige Wajihah Hamandoush noch ihren Mann Tamir Alhussain, der im Krieg drei Monate verschwunden war und in dieser Zeit so schwer geschlagen wurde, dass er fast nichts mehr hört und unter Gleichgewichtsstörungen leidet. Es gibt hier keine Flüchtlingsfamilie, die nicht Dramatisches zu erzählen hätte. Völlig apathisch verfolgt der 36-jährige frühere Fliesenleger neben ihr auf dem Teppich sitzend das Gespräch. Seine Frau sagt: „Das Leben hier wird zu beschwerlich.“ Sie wollen zurück – wenn das Grauen in der Heimat je zu Ende geht.