Gilt die schnörkellose Bauweise mit viel Beton heutzutage eher als wenig schmuck, war dies vor einem halben Jahrhundert der neueste Stand der Technik. So lange gibt es die Gnadenkirche in Heumaden nun.

Heumaden - Im Jahr 1964 wird Nelson Mandela zu lebenslanger Haft verurteilt, die USA tritt in den Vietnamkrieg ein, und Willy Brandt wird Parteivorsitzender der SPD. Eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs. In Heumaden-Süd wird 1964 die Gnadenkirche eingeweiht. Es ist ein moderner Bau von drei Architekten, die dafür einen Preis erhalten. Der frei stehende Turm, die schnörkellose Bauweise und viel Beton gelten damals als fortschrittliche Ansätze. Am Samstag, 8. März, hat die Gnadenkirche ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert.

 

In zehn Jahren hat sich die Einwohnerzahl verdreifacht

Grund für den Neubau ist damals, dass der Stadtteil Heumaden in den Fünfzigerjahren stark gewachsen ist. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Einwohnerzahl verdreifacht. Vor allem in Heumaden-Süd lassen sich viele neu Zugezogene nieder. Drei Jahre lang werden die Gottesdienste in Heumaden-Süd in einer Notkirche abgehalten – einem Holzhaus, das nach Berichten von Zeitzeugen Baracke genannt wird. In der Baracke gibt es keine Toilette, im Winter zieht es, und im Sommer schwitzen die Menschen. Daran erinnert sich Elisabeth Hartmann vor 20 Jahren anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Kirche.

Zur Einweihung des neuen Gotteshauses gibt es einen großen Besucheransturm . Die Kirche sei etwas groß geraten, schreibt der damalige Pfarrer Hermann Weller zum 30-jährigen Jubiläum. Die Architekten Wolf Maier, Reiner Graf und Max Speidel haben den Platz für den Gottesdienst möglichst von der Umgebung – der großen Straße, dem Hochhaus und dem kleinen Ladenzentrum – abgeschirmt. Er liegt in der Mitte der Räumlichkeiten und ist einem großen Zelt nachempfunden. Für den damaligen Pfarrer drückt die Zeltform Bewegung aus. Das ist auch das Konzept der Architekten. Das Zelt stehe für das Suchende, Nomadenhafte der Gemeinde, so Beate Brenner, Vorsitzende des Kirchengemeinderats Heumaden-Süd. „Das Ziel ist dann bei Gott.“

Moderner als die Gemeinde in Heumaden-Nord

Die Süd-Gemeinde ist zur damaligen Zeit auf der Suche. Sie ist nach Brenners Worten moderner als die Kirchengemeinde in Heumaden-Nord. Das führt dazu, dass die zusammengehörigen Teilkirchengemeinden Nord und Süd sich 1970 in zwei selbstständige Gemeinden aufspalten. In Heumaden-Süd werden von diesem Zeitpunkt an neue Formen des Gottesdienstes erprobt. Ein Gemeindebrief von 1974 erläutert die Idee: Das Evangelium soll weniger in Form einer Predigt verkündet werden, sondern vielmehr in Gesprächen zwischen den Gemeindegliedern mitgeteilt werden. Es werden außerdem erste ökumenische Arbeitskreise gebildet, erzählt Brenner.

Die Kirche stellt sich zudem radikalen politischen Themen. Im Gemeindebrief 1971 steht eine Einladung zu einem dreitägigen Seminar „Von Marx bis Mao“. Die Gemeinden Nord und Süd entwickeln sich danach immer weiter auseinander und trennen sich schließlich vollständig. Von 1980 an führen sie getrennte Kirchenregister.

Mittlerweile sind sich die beiden Gemeinden in Heumaden wieder nähergekommen. „Ich bin seit 2001 hier und habe das so nicht mehr miterlebt“, sagt Beate Brenner, die Gemeinderatsvorsitzende. Es würde wieder mehr gemeinsam gemacht. Für die Zukunft sieht sie eine noch intensivere Zusammenarbeit. Denn die Mitgliederzahlen beider Gemeinden sinken. Brenner sagt: „Es wird mittelfristig keine zwei 100-Prozent-Stellen in Heumaden geben.“

Die Gebäude müssen saniert werden

Unabhängig von der Zahl der Pfarrstellen, sollen die Räume der Kirche in Heumaden erhalten bleiben. Das ist für den im Dezember 2013 gewählten Kirchengemeinderat zu einer großen Aufgabe geworden. Denn die Gebäude der Gnadenkirche sind sanierungsbedürftig. Durch das Dach dringt Wasser ein. Über der Orgel kommt Feuchtigkeit in den Innenraum. „Die dachten, Beton ist für die Ewigkeit“, sagt Brenner: „Und jetzt müssen wir doch sanieren.“ Dafür sucht die Kirche Spender.

Die große Jubiläumsfeier soll es im Herbst geben. Bis dahin ist noch viel Zeit für Vorbereitungen. „Alle sollen beteiligt werden“, sagt Brenner. Die Gemeinde macht sich also wieder auf die Suche.