Minderjährige Flüchtlinge brauchen eine besondere Betreuung. Aktuell stößt der Landkreis Esslingen dabei an seine Grenzen, denn es müssen nicht nur mehr Plätze geschaffen werden.

Esslingen - Sie haben Reisen von drei Monaten bis zu zwei Jahren überstanden. Genauso wie Erwachsene nehmen auch minderjährige Flüchtlinge die Hilfe von Schleusern, die sie über das Mittelmeer oder über das Festland nach Deutschland bringen, in Anspruch. Und es werden immer mehr, die nach Deutschland kommen. Auch im Kreis Esslingen steigt die Zahl minderjähriger Flüchtlinge stetig und mit ihr der Bedarf an Wohnungen.

 

Für den Landkreis bedeutet das aber nicht nur, dass mehr Plätze für weitere Wohngruppen gebraucht werden, sondern auch zusätzliches Personal, denn auf zwei Minderjährige muss ein Betreuer kommen. Sorgen bereitet den Behörden darüber hinaus die Anschlussbetreuung. Da für einige Jugendliche auch eine Pflegefamilie infrage kommt, sucht der Soziale Dienst im Landkreis derzeit Familien für sie.

Bis Ende Juli waren 63 Minderjährige in Obhut

Während im vergangenen Jahr 36 unbegleitete junge Flüchtlinge im Landkreis gewesen sind, waren es Ende Juli bereits 63 Minderjährige. Die fast ausschließlich männlichen Jugendlichen - nur sechs sind Mädchen – stammen überwiegend aus Afghanistan, Syrien, Eritrea, Gambia, dem Jemen und dem Nordirak. Im Gegensatz zu Erwachsenen kommen Jugendliche unter 18 Jahren gleich in eine betreute Wohngruppe. Sie beziehen Jugendhilfe. Häufig bleiben sie auch über das Alter von 18 Jahren hinaus in den Gruppen. „Bis zum 21. Lebensjahr ist man da flexibel, je nachdem wie integriert die Person ist“, erklärt Peter Keck, der Pressesprecher des Landkreises Esslingen. Dennoch müsse man den Platz für weitere Gruppen schaffen. Allen Schwierigkeiten zum Trotz würde das auch irgendwie gelingen, betont Keck.

Betreut werden die meisten im Landkreis von der Kinder- und Jugendhilfe Neuhausen, der Stiftung Jugendhilfe aktiv im Esslinger Rothschildhaus und in Kirchheim von der Stiftung Tragwerk. Die Betreuung ist besonders aufwendig und personalintensiv. Die kulturellen und religiösen Hintergründe ihrer Schützlinge stellen die Mitarbeiter vor große Herausforderungen. Ein Großteil der Jugendlichen hat auf ihrer Flucht traumatische Erlebnisse erfahren. „Grundsätzlich erleben unbegleitete minderjährige Flüchtlinge die gleichen Bedingungen wie Erwachsene. Sie berichten unter anderem von Überfällen, Verhaftungen, Schüssen an der Grenze und Todeserfahrungen“, sagt Andrea Dreizler von der Stiftung Tragwerk. Diese Erfahrungen würden zu unterschiedlichen Verhaltensweisen führen. „Das zeigt sich unter anderem in Schlafstörungen, Verschlossenheit, Harmoniebedürfnis und der Suche nach Vertrauenspersonen als Ersatz für die eigene Familie“, erklärt Dreizler.

Für einige Jugendliche werden Pflegefamilien gesucht

Wichtig ist für die Kinder, dass wieder Normalität und Alltag einkehren. Dazu gehört auch ein baldmöglicher Schulbesuch, weshalb dem Deutschunterricht eine große Bedeutung zukommt.

Für einige der Minderjährigen kommt eine Pflegefamilie infrage. Damit die Pflegeeltern auf diese Herausforderung vorbereitet sind, müssen sie an einem Qualifizierungskurs teilnehmen. Der Pflegedienst bietet am Dienstag, 22. September, um 16.30 Uhr zu diesem Thema eine Informationsveranstaltung an, die im Esslinger Landratsamt stattfindet. Wer Fragen hat, kann sich vorab bei Ursula Österle vom Pflegekinderdienst unter der Telefonnummer 07 11/39 02 26 79 melden.