Der Nachwuchs der Fellbacher Weingärtner erhält den Jungwinzerpreis 2016. Überraschend ist das nur teilweise.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Beim Heilbronner Weingipfel wird der Weinbauverband Württemberg Ende November den Jungwinzerpreis 2016 an die Fellbacher Initiative „Next Generation“ überreichen. Auf den ersten Blick scheint die Auszeichnung überraschend. Schließlich wurde die Nachwuchskooperation der Fellbacher Weingärtner bereits 2006 gegründet, ist jahrgangstechnisch also ein gut abgelagerter Hut. Für eine Preisverleihung ist es reichlich spät. Doch bei einer näheren Betrachtung zeigt sich, dass „Next Generation“ auch für den beachtlichen Verjüngungsprozess steht, den sich die Fellbacher Weingärtner verordnet haben – und für den Beweis, dass frische Köpfe auch mit innovativen Ideen punkten, wenn man sie lässt.

 

Neue Zeitrechnung nach Naturkatastrophe

Um das zu verstehen, ist ein Blick auf die Geschichte des Weinbaus unterm Kappelberg nötig: Es war das Jahr 2000, als ein verheerender Hagelschlag die Rebhänge um den Lämmler traf. Tennisballgroße Eiskörner vernichteten bereits Anfang Juni einen Großteil der Ernte. Wenn man so will, begann mit der Naturkatastrophe eine neue Zeitrechnung.

Bei den Aufräumarbeiten im zerstörten Weinberg setzte sich nämlich die Erkenntnis durch, dass es so nicht weitergehen kann. Statt weiter auf ordentlichen Durchschnitt zu setzen, entschieden sich die Fellbacher für einen konsequenten Qualitätskurs. Angetrieben vom erfahrenen Kellermeister Werner Seibold sollten Spitzenprodukte entstehen. Die alte Garde übergab ihre Ämter an jüngere Kräfte, die ein wenig verstaubt klingende Bezeichnung „Genossenschaft“ wurde aus dem Namen getilgt. Und die Mitglieder bewiesen die Weitsicht, auch den Nachwuchs ans Ruder zu lassen. Als Symbolfigur für den Wandel wurde 2010 der damals 31-jährige Ralf Bauerle an die Spitze des Aufsichtsrats gewählt. Er war der führende Kopf, der 2006 aus der Taufe gehobenen Jungwinzerinitiative gewesen. Die Chance, sich nicht nur im Weinberg, sondern auch im Keller und beim Marketing auszuprobieren und auszutauschen, hatte sich ausgezahlt.

Beständige Arbeit am Verjüngungsprozess

Inzwischen ist – auch das ist durchaus bemerkenswert – bei „Next Generation“ schon die nächste Generation am Start. Die Vorgänger der jetzigen Aktiven sind längst in den Gremien integriert. Nun dürfen frische Köpfe ihre Ideen einbringen. „Die andernorts problematische Gewinnung von Nachwuchs für Ehrenämter gelingt in Fellbach vorbildlich“, sagt Hermann Hohl, der Präsident des Weinbauverbands Württemberg. Gewürdigt wird mit dem Preis auch die Beständigkeit, mit dem Fellbach am Verjüngungsprozess arbeitet, – und, dass der Nachwuchs immer wieder besondere Kreativität beweist. Denn den Ausschlag gab die Kompetenz, mit der die jungen Weinmacher ans Werk gehen. Schon zu Beginn des Projekts kam ein hochwertiger Riesling auf den Markt, dem Next-Generation-Tropfen mit laut Juryurteil „beeindruckender Qualität“ folgten. Das gilt auch fürs jüngste Projekt – einen Orange-Wein aus Grauburgunder, der nicht nur für einen Probierschluck taugt.