Kaiserslautern-Trainer Marco Kurz spricht im Interview über seine alte Heimat Stuttgart, Jens Lehmann und den Abstiegskapf seines Vereins.

Stuttgart - Der Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern tritt am Samstag (18.30 Uhr) beim VfB Stuttgart an (das Spiel im Liveticker), der im Abstiegskampf einen Punkt zurückliegt. Das war vor der Saison so nicht zu erwarten.

 

Herr Kurz, wie lebt es sich als waschechter Schwabe in der Pfalz?

Danke der Nachfrage, ich fühle mich hier pudelwohl. Davon abgesehen bin ich schon lange von zu Hause weg und war bereits in mehreren Bundesländern tätig, zuerst als Spieler, später als Trainer.

Was ist angesichts dessen das Besondere an Ihrer momentanen Wirkungsstätte?

Es dreht sich alles um Fußball. Das weiß man in ganz Deutschland, und das spürt man an jeder Ecke in der Stadt, egal wo man hinkommt. Von fast jeder Stelle aus ist der Betzenberg zu sehen. Er thront sozusagen über allen. Das erklärt den Mythos. Hier herrscht Fußball pur.

Gibt es dennoch etwas, was Sie aus der alten Heimat vermissen?

Ich habe keinerlei Entzugserscheinungen – und der Weg nach Stuttgart ist ja auch nicht so weit. Da wohnen meine Eltern, die ich oft besuche. Von Mama und Papa werde ich dann immer gut versorgt.

Vermutlich auch mit den neuesten Informationen über den VfB. Die Vorbereitung auf das bevorstehende Spiel dürfte für Sie aber nicht nur deshalb einfach gewesen sein.

Warum meinen Sie das?

Weil Ihnen sicher auch Jens Lehmann viele Tipps geben konnte. Sie sind gut mit dem früheren Stuttgarter Torwart befreundet.

Das stimmt. Aber seitdem er glaubte, beim FC Arsenal wieder die Kickstiefel schnüren zu müssen, haben wir nicht mehr telefoniert. Unser letztes Gespräch ist schon zwei Wochen her. Jetzt hat Jens keine Zeit mehr. Er muss viel trainieren.

Schließlich ist er nicht mehr der Jüngste. Was sagen Sie zu seinem Comeback mit 41 Jahren?

Es ist doch fantastisch, dass er in diesem Alter noch bei einem so großen Club und einem so großen Trainer wie Arsène Wenger gefragt ist. Aber die werden sich schon was dabei gedacht haben, als sie ihn holten. Und Jens kann seine Karriere jetzt noch ein bisschen verlängern. Der Abschied ist ihm ohnehin nicht leichtgefallen.

Auch ohne Lehmann werden Sie sich ein Bild vom VfB gemacht haben. Wie sieht das aus?

Der VfB hat nach wie vor eine enorme Qualität in seinem Kader. Dennoch ist er in der Tabelle mit uns auf Augenhöhe. Das verleiht der Partie eine Menge Brisanz. Vieles wird sich im Kopf entscheiden.

Wie nahe steht Ihnen der VfB noch, da Sie ein Stuttgarter sind und einst als Vertragsamateur auf dem Wasen gespielt haben?

Als Kind war ich ein bekennender Fan der Stuttgarter Mannschaften – also des VfB und der Kickers. Im alten Neckarstadion bin ich mit meinen Kameraden oft im Fanblock gestanden und habe den VfB angefeuert. Das hat mich geprägt. Deshalb ist das für mich kein Verein wie jeder andere.

So wenig wie jetzt das Spiel gegen den VfB für Sie ein Spiel wie jedes andere ist?

Diese 90 Minuten gehe ich emotionsloser an. Für mich ist das ein wichtiges Spiel gegen einen Mitkonkurrenten im Abstiegskampf – nicht mehr und nicht weniger.

Haben Sie noch Kontakte zum VfB?

Eine lose Verbindung gibt es zu meinem damaligen Amateurtrainer Jochen Rücker. Ab und zu begegne ich auch früheren Weggefährten wie Jens Keller, aber das geschieht dann alles rein zufällig.

Wenn Ihnen vor der Saison jemand gesagt hätte, dass der VfB solche Probleme bekommt – was hätten Sie geantwortet?

Grundsätzlich ist es so, dass in der Tabelle einige Mannschaften hinten drin sind, die man da nicht erwartet hätte – auch der VfB. Die Dichte ist in diesem Jahr höher als im letzten. Damals hat sich Hannover mit 33 Punkten gerettet, und Nürnberg erreichte mit 31 Zählern noch die Relegation. Das ist jetzt nicht möglich – was auch belegt, dass die Aufsteiger einiges an Qualität in die Liga eingebracht haben.

Dennoch wird es Sie kaum überraschen, dass Kaiserslautern gegen den Abstieg kämpft.

Wir waren von Anfang an realistisch. Bei uns ist alles eine Nummer kleiner. So gehören unserem Trainerstab beispielsweise vier Personen an – bei anderen Vereinen sind es neun oder zehn. Dementsprechend sind wir die Sache angegangen. Unser Ziel war es, am 34. Spieltag noch die Chance auf den Klassenerhalt zu haben. Nun haben wir alles selbst in der Hand. Das ist nicht die schlechteste Ausgangslage.

Die Perspektiven des FCK

Welche Perspektiven hat der FCK über diese Runde hinaus?

Im Augenblick geht es nur darum, den Abstieg zu vermeiden. Daneben wollen wir den Club, dem vor drei Jahren noch der Sturz in die dritte Liga drohte, in ein ruhiges Fahrwasser führen. Noch stehen wir finanziell nicht auf sonderlich kräftigen Beinen, aber ich bin zuversichtlich, dass sich das bald ändert. Denn bei uns sind keine Egoisten am Werk. Es zählt nur der Verein. Da praktizieren wir absolute Geschlossenheit.

Das freut die Fußballromantiker – der Club ist wie eine große Familie?

In der Tat, wie sich die Leute mit uns identifizieren ist unglaublich. Die Begeisterung ist riesig und dürfte in Deutschland einmalig sein. Im Vergleich zur Vorsaison konnten wir unseren Zuschauerschnitt um 20 Prozent steigern. Allein das zeigt die Wucht, die hinter dem Ganzen steckt. Diese Fans dürfen wir nicht enttäuschen. Das ist unsere Verpflichtung.

Trotz der Euphorie im Umfeld sind die Möglichkeiten beschränkt, da in der Stadt wenig Industrie angesiedelt ist. Das wirkt sich wiederum negativ auf die Sponsorensuche aus. Wie gravierend ist dieser Standortnachteil?

Er spielt eine Rolle, das ist nicht zu leugnen. Wirtschaftlich haben andere Clubs nun mal deutlich bessere Voraussetzungen als wir. Deshalb werden wir solche Sprünge wie der VfB nie machen können, aber das ist auch nicht unser Ansatz und beherrscht nicht unser Denken. Wir müssen die Bundesliga mit unseren Mitteln und Methoden stemmen – und das können wir auch.

Viele Experten schwärmen gerne von der neuen schwäbischen Trainergeneration – den sogenannten Konzepttrainern wie Ralf Rangnick, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel und Robin Dutt. Ihr Name fällt in diesem Zusammenhang nicht. Warum?

Das sollten Sie besser die von Ihnen erwähnten Experten fragen. Ich kann nur sagen, dass ich nicht so die Öffentlichkeit suche und mein Gesicht nicht überall erscheinen muss. Da habe ich keine Eitelkeiten.

Aber ein Konzept haben Sie auch?

Das hat jeder Trainer. Sonst kann er nicht lange in der Bundesliga arbeiten. Wir wollen immer offensiv spielen – im Rahmen unserer Möglichkeiten.

 Zuletzt wurde viel über Ihre Kollegen diskutiert – vor allem über Felix Magath, der zwei Tage nach seinem Abgang auf Schalke in Wolfsburg anheuerte. Wie fanden Sie das?

In unserem Job muss man zwar immer damit rechnen, dass es schnell zu Veränderungen kommen kann, aber das war extrem und eine Ausnahme. Ich glaube, Felix Magath hat das nur gemacht, weil er die Gelegenheit hatte, zu seinem Exverein zurückzukehren. Das war eine besondere Situation. Verallgemeinern lässt sich das kaum.

Sie haben in Ihrer Trainerkarriere immer einen Schritt nach dem anderen gemacht. Würde es Sie nicht reizen, auch einmal einen Spitzenverein zu übernehmen?

Ich denke nur an den FCK. Da bin ich mit Herzblut dabei. Ich will den Club in der Bundesliga etablieren. Wenn das gelingt, ergibt sich alles andere von selbst.

Zur Person Marco Kurz


Spieler: Marco Kurz (41) hat mit dem Fußballspielen in der Jugend des SV Sillenbuch angefangen. Über Sindelfingen landete er beim VfB Stuttgart, wo er 1989 seine Profikarriere begann. Weitere Stationen waren der 1. FC Nürnberg, Borussia Dortmund (Meister 1995), Schalke (Uefa-Cup-Sieg 1997) und schließlich 1860 München, wo er bis 2004 spielte.

Trainer: Als (Spieler-)Trainer begann er 2005 in Pfullendorf. Bei 1860 betreute er zunächst die zweite Mannschaft, dann die Profis, ehe er im Februar 2009 beurlaubt wurde. Kaiserslautern führte er auf Anhieb in die Bundesliga.