In Bischoffingen am Kaiserstuhl lassen die Eigentümer von Tengelmann den Ecovin-Winzer Abril überleben. In einigen Jahren will Kellermeister Armin Sütterlin die Ecovin-Produzenten an die deutsche Spitze bringen.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Bischoffingen - Der Volksmund ist ungerecht: „Seller roschtige Kaschte“ sagt der Mann mit der blauen Joppe und zeigt auf den Neubau am Ortsrand von Bischoffingen am Kaiserstuhl. Ein mit Stahlblech verkleideter, rechteckiger Bau am Fuß des Enselbergs, inmitten von Reben. Das Gebäude ist aus Corten-Stahl, einem wetterfesten Baustahl, seine Oberfläche ist oxidiert und erinnert von Weitem an Tuffstein. Der Architekt Wolfgang Münzing aus Flein bei Heilbronn ist mit seinem Planungsbüro Spezialist und hat bereits staatliche und fürstliche Güter sowie edle Trattorien gestylt.

 

„Das Gebäude sollte behutsam in die Landschaft eingefügt werden“, beschreibt Münzing seinen Auftrag. Unterdessen schwärmt Bürgermeister Gabriel Schweizer vom neuen „Leuchtturm“ am Kaiserstuhl. Ein Weinkeller mit modernster Technik, die die schonende Behandlung des Weins garantiert, der nach Ecovin-Kriterien kontrolliert-biologisch angebaut wird. Der Neubau eines Weingutes, selbst wenn es 272 Jahre alt ist, wäre kein allzu aufregendes Thema in einer Weingegend. Nicht einmal in der größten Weinbaugemeinde des Landes, die den Namen Vogtsburg und den Titel Stadt trägt, obwohl sie keinen Kern hat und jeder Einwohner der sieben Ortsteile sich als Achkarrener, Bickensohler, Oberbergener, Ober- oder Niederrotweiler, Schelinger oder eben Bischoffheimer vorstellt. Sechs selbst vermarktende Winzergenossenschaften und 30 Weingüter hat Vogtsburg. Das neue Weingut Abril wird wegen der Geschichte seiner Rettung vor dem Aus interessant. Der letzte Eigentümer hatte ein Glück, das andere Winzer nicht haben, deren Nachwuchs nicht daran interessiert ist, einem Weinberg Rebensaft abzutrotzen, zu keltern und zu vermarkten.

Ehepaar kauft das Gut mit 6,5 Hektar Rebbergen

Hans-Frieder Abril hat eine Cousine, die aus Emmendingen stammt und nach dem Krieg zeitweise auf dem Weingut lebte. 1958 heiratete Helga Otto dann Erivan Haub, der später Chef bei Tengelmann wurde. Die operative Leitung des zum Konzern ausgewachsenen Handelsgeschäftes, zu dem auch der Textildiscounter Kik und die Obi-Baumärkte gehören, liegt heute beim Sohn Karl-Erivan Haub, der Vater sitzt im Beirat der Gruppe. 2007 hat das Ehepaar Haub das Weingut Abril mit seinen 6,5 Hektar Rebbergen gekauft und für 10,5 Millionen Euro ein neues Anwesen bauen lassen. Die Haub-Familie wird in der „Forbes“-Liste unter den 200 reichsten Milliardärsfamilien aufgeführt.

Trotz aller emotionalen Verbundenheit von Helga Haub mit dem Ort ihrer Kindheit und der Familie Abril sind die Haubs Kaufleute und achten darauf, dass ihr Geld anständig angelegt wird. „Wir hatten einen klaren Kostenrahmen und mussten ihn einhalten“, betont Architekt Münzing. Und der Abril-Geschäftsführer Armin Sütterlin sagt, dass bald positive Zahlen herauskommen müssen. Dass die Haubs ausgerechnet Sütterlin engagiert haben, spricht dafür, dass es sehr wahrscheinlich klappt. Der 53-jährige Kellermeister bringt alles mit, was für diesen Posten wichtig ist. Er wurde in Buggingen im Markgräflerland geboren, er war Kellermeister in Müllheim-Schliengen und Geschäftsführer der Winzergenossenschaft in Müllheim. Und er war 23 Jahre Kellermeister im Winzerkeller in Breisach und leitete dort den Bereich Ökoweine.

Die Ecovin-Produzenten sollen deutsche Spitze werden

Der Posten als Geschäftsführer bei Abril ist für Sütterlin das große Los. Hier kann er seine Erfahrungen umsetzen, hier will er die jetzt schon größten und vielfach preisgekrönten Ecovin-Weinproduzenten des Kaiserstuhls an die deutsche Spitze führen. Vor drei Jahren hat Sütterlin mit Abril das benachbarte Weingut Consequence des Ökoweinspezialisten Manfred Schmidt übernommen. Abril hat jetzt 20 Hektar eigene Flächen, Zukäufe sind nicht sehr schwierig, denn viele Winzer geben auf. „Wir haben einen brutalen Strukturwandel“, sagt Vogtsburgs Bürgermeister Schweizer und ist froh, dass sich Sütterlin vornimmt, mit nachhaltiger Produktion „die Zukunftsfähigkeit“ des Weinbaus am Kaiserstuhl zu demonstrieren. „Es geht hier um Wein“, bestätigt Kellermeister Sütterlin, an Gastronomie wird momentan nicht gedacht. Beim Bau des ambitionierten Anwesens hat er dem Architekten immer wieder gesagt: „Es muss funktionieren, und wenn es schön wird, umso besser.“ Am 14. September wird das Weingut eröffnet, am 22. September beginnt die Weinlese.